Ich erlaube mir auch heute wieder, Ihnen einen Song aus der Post-Retirement-Phase aufs Ohr zu drücken, meine hochgeehrten Damen und Herren. Diesmal ist es ein Titel, welcher Sinatra´s außerordentlich umstrittenem Comeback-Album Ol´ Blue Eyes Is Back entstammt:
Noah (Musik und Text: Joe Raposo)
Als Sinatra sich nach knapp zwojährigem „Retirement“ im Jahre 1973 - genauer gesagt, am 30. Avril eben dieses Jahres - wieder ins Aufnahmestudio begab, nahm er als erste Songs Noah sowie Nobody Wins auf. Die Bänder mit den beiden von Don Costa arrangierten Nummern mussten anschließend auf höchstpersönliches Betreiben des Sängers vernichtet werden - ganz offensichtlich war der Altstar nach der Auszeit in schrecklicher stimmlicher Verfassung, ein anderer Grund für Sinatra´s Befehl, die Bänder zu zerstören, ist schlechterdings nicht denkbar.
Wie auch immer, beide Songs nahm er sich bald erneut vor, diesmal dann offenbar mit hinreichend zufriedenstellendem Resultat. Diese Aufnahme von Noah finden Sie auf oben erwähntem Comeback-Album sowie auf The Complete Reprise Studio Recordings. Aufgenommen wurde die Nummer im zweiten Anlauf am vierten Juno des Jahres 1973, arrangiert wurde sie diesmal von Gordon Jenkins, Sinatras altem Weggefährten aus Capitol-Tagen und wahrem Meister im Umgang mit Streichern.
Doch oweh...
Meiner Meinung nach steckt Sinatra bei dieser krausen, ja: kuriosen Nummer bis zum Hals im Kitsch-Fettnäpfchen. Womit nur hat man Sinatra gedroht, um ihn dazu zu bringen, diesen Titel aufzunehmen? Dabei ist der leise Anfang und das leise Ende abgesehen vom kuriosen, an ein rosa gebundenes Poesie-Album gemahnenden und in seiner schrecklichen Plattheit einfach fürchterlich schlechten Text gar nicht einmal sooooo schlecht, aber der bombastische Refrain und der jubilierende, schrill lärmende Gospel-Chor lassen die wenigen guten Ansätze leider im Keim ersticken, im Keim ersticken, jawoll. Das wird immer lauter, das erfüllt einem schließlich fast schmerzlich die Ohren.
Nun konnte ich der unterdurchschnittlichen Schlager-Platte Ol´Blue Eyes Is Back mit Ausnahme von You´ll Be My Music und Send In The Clowns ohnedies noch nie etwas abgewinnen, aber Noah fällt sogar im eher negativen Kontext dieser Platte besonders unangenehm auf, gehört zur jämmerlichsten Gattung Liedgut, welches sich der Barde je hat zuschulden kommen lassen. Ein kapitaler Fehlgriff, wie er dem Sänger nur alle paar Jahre zu unterlaufen pflegte (ausgenommen die 70er-Jahre, in diesem Jahrzehnt traten die Fehlgriffe - Sie, hochverehrte Damen und Herren, wissen das natürlich nicht weniger gut als ich - besonders gehäuft auf, dies aber ist sicher ein gesondertes Thema wert).
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie es mir nunmehr gestatten, möchte ich Sie hiermit alle dazu einladen, mit ihren Beiträgen die Diskussion zu Noah ins Rollen zu bringen. Diskussionsstoff bietet diese Nummer in Hülle und Fülle, da sollten die Beiträge nur so herniederprasseln - ich darf Sie also ganz in diesem Sinne ersuchen, werte Leserinnen und Leser, teure Mitglieder und ich weiß nicht wer alles noch sich hierorts regelmäßig oder zumindest ab und an aufzuhalten und sich´s wohlsein zu lassen pflegt. Sie alle, egal wer Sie sind, was Sie sind, woher Sie sind - - - Sie alle eilen jetzten zu Ihren Musikschränken oder -truhen, stante pede.
Während Ol' Blue Eyes Is Back insgesamt ziemlich müde und ausgelutscht daher kommt, verwundert die Intensität, dieser Pathos (im schlechtesten Sinne), mit dem sich Noah in das Album (nicht) einfügt. Nicht nur dass das Stück "etwas minderwertiges Material" ist, es passt noch dazu nicht ins Konzept. Kann mir jemand ad hoc sagen, wer die Platte produziert hat? Vielleicht hatte der/diejenige einen Freund oder Strohmann, für den er Tantiemen für Noah organisieren musste. Anders kann ich mir nicht erklären, wozu dieser Titel noch mit drauf musste.
Die Eignung von Ol' Blue Eyes Is Back als Schlafmittel wird somit ernsthaft und unnötig gefährdet. Unauffällig bzw. uninteressant wäre mir weit genug gewesen, muss es am Ende auch noch in Teilen peinlich sein? Besonders der Chor - ist es ein Gospelchor, wenn biblische Thematik besungen wird? Im Interesse des Gospel hoffe ich nicht, dass Noah darunter fällt - macht das Lied so aufdringlich und powerschwülstig, wie es nur irgend denkbar ist. Mir gefällt es überhaupt nicht. Wenn es jemanden gibt, der dieses Stück mag, soll er mir und uns allen bitte erklären, was die Faszination ausmacht.
Be who you are and say what you feel because those who mind don't matter and those who matter don't mind.
Das gesamte Album wurde von Don Costa produziert, der grausige Chor übrigens im Overdub-Verfahren nach der eigentlichen Aufnahme hinzugefügt. Immerhin hat die Lärmorgie am Ende des Albums auch etwas Gutes: Der Hörer, der zuvor eine halbe Stunde lang in Tiefschlaf gewiegt wurde, wird jäh aus ebendiesem gerissen. Ohne diesen Schlusspunkt von Ol´ Blue Eyes Is Back würden manche womöglich seit 1973 nicht mehr aufgewacht sein und noch heute vor ihren Musiktruhen schlummern.
Von Joe Raposo stammen übrigens gleich vier Songs auf Ol´ Blue Eyes Is Back, Sinatra´s ursprünglicher und kühner Plan war es gar, das Album gänzlich mit Raposo-Stücken zu befüllen, dagegen jedoch legte sich die Plattenfirma quer. Raposo - der anno 1989 mit nur 51 Jahren verblich - soll mit Sinatra persönlich gut befreundet gewesen sein, Sinatra soll auch von seinem Klavierspiel äußerst angetan gewesen sein. Raposo kennt man vor allem in seiner Funktion als Komponist für die Serie „Sesame Street“.
Der Song Noah ist jedenfalls weder in der Karriere von Raposo noch in jener des Barden den Glanzlichtern zuzuordnen, ganz und gar im Gegenteil. Andererseits: ohne Noah würde man sich an die Platte Ol´ Blue Eyes Is Back wohl überhaupt nicht erinnern, die Platte ist in Summe eine einzige träge dahinplätschernde Belanglosigkeit, das einzige, was in Erinnerung bleibt, ist eben genau jene musikalische Monstrosität namens Noah - so abgrundtief und unbeschreiblich schlecht, dass man sie nicht so bald wieder vergisst.
Sehr geehrte Damen und Herren Leserinnen und Leser - Sie befinden sich in einer Kommunikationseinrichtung, welche den ENTERTAINER OF THE CENTURY (mit anderen Worten SINATRA, SINATRA und nochmals SINATRA) in ersprießlicher Weise thematisiert wissen möchte. Geschätztes Publicum: Diese Einrichtung ist in der Tat so hochgradig erquickend, so ungemein gastlich, der Wohlfühlfaktor so enorm hoch, dass es kurzum nichts Geringeres denn eine wahre Lust ist, sich hierorts aufzuhalten und sich durch die mannigfaltigen Rubriken zu bewegen! Sehen Sie sich gut und in aller Ruhe um und Sie werden - darauf mein Wort - nicht umhinkommen zu sagen: "Hier ist es schön, hier will ich bleiben."
*** Wertes Publicum: FRAU CHARLOTTE ROCHE ist eine GÖTTIN - eine WAHRE GÖTTIN ***