Hiermit ergehe der Aufruf, nachfolgend über ein Lied zu disputieren, welches auf den ersten Blick anzunehmenderweise nicht einmal den hartgesottensten Fans des Sängers allzu viel sagen dürfte. In der Tat: Meine hochgeschätzten Herrendamen, gehen Sie in sich und sagen Sie uns ganz ehrlich, ob Ihnen bei Nennung des Titels irgendeine Art von Erinnerungsblitz durchs Haupt schießt:
Dry Your Eyes (Musik und Text: Neil Diamond/Robbie Robertson)
Die Nummer stammt von Neil Diamond und Robbie Robertson, ersterer muss wahrlich niemandem vorgestellt werden, er ist inzwischen - ähnlich dem Barden - amerikanisches Kulturgut geworden und: man darf staunen - nach einer längeren künstlerischen Dürreperiode gegenwärtig einen zwoten oder dritten Frühling erlebend. Zu danken ist dies dem Produzenten Rick Rubin, welcher zunächst Johnny Cash aus der absoluten Versenkung hob und daraufhin dies Kunststück mit einigem Erfolg an Diamond wiederholte.
Co-Autor von Dry Your Eyes ist Robbie Robertson, dereinst seines Zeichens Gründungsmitglied der legendären Formation The Band, welche eine Zeitlang mit Bob Dylan zusammenarbeitete, aber sich mit Songs wie The Night They Drove Old Dixie Down oder The Weight und I Shall Be Released auch aus eigenen Kräften einen Platz im Olymp der amerikanischen Blues/Folk/Rock-Musik erspielte. Einige ihrer (allerdings frühen Alben) gelten gar als absolute Klassiker.
Den Song Dry Your Eyes finden Sie in der Original-Version von Neil Diamond auf dessen 1976er-Album Beautiful Noise, welches von Robbie Robertson auch produziert wurde und das mit dem Titel Stargazer einen weiteren Song enthält, den Sinatra glaubte, postwendend covern zu müssen.
Sinatra also marschierte anno 1976 in ein Aufnahmestudio zu Hollywood, um sich des Titels anzunehmen - zunächst wurde am 21. Juni eine erste Version aufgenommen, welche bis dato unveröffentlicht in den Archiven vor sich hin schimmelt. Es ist im Hinblick auf das Entstehungsjahr wohl anzunehmen, dass die stimmliche Verfassung des gealterten Sängers ihm einmal mehr einen Strich durch die Rechnung machte und das Resultat daher für nicht veröffentlichungswürdig angesehen wurde. Der nächste Versuch erfolgte am 27. September desselben Jahres, diesmal zu New York. Das Ergebnis wurde offenbar für soweit akzeptabel befunden, dass der Song auf einer Single veröffentlicht wurde, als B-Side fungierte dabei Like A Sad Song, eine Nummer von John Denver. Kommerziell ging diese Single allerdings baden, in der Tat fand sie praktisch keine Beachtung - ein herber Schlag für Sinatra, erleben zu müssen, dass er zwar bei Konzerten nach wie vor für volle Häuser sorgen konnte, seine jeweils aktuellen Platten hingegen seit geraumer Zeit bleischwer in den Regalen liegen blieben.
Arrangiert wurde Dry Your Eyes - wie fast immer, wenn es sich um modernere Pop-Titel handelte - von Don Costa, die Orchesterleitung hatte wieder einmal Schnauzbart Bill Miller inne. Anno 1982 erschien der pompöse, vor Pathos triefende Song auf einer italienischen Reprise-LP namens The Singles. Daneben ist der Song ausschließlich auf The Complete Reprise Studio Recordings zu hören, einer kolossalen, zwanzig Kompakt-Disk umfassenden (Beinah-)Komplett-Werkschau der Jahre 1960-88. Leider ist diese Monster-Box aktuell gestrichen, darum erfreue sich ihrer, welcher glücklich genug ist, sie zu besitzen. Bei der zwoten Aufnahme vom September sang Sinatra übrigens im Overdub-Verfahren zur Orchester-Spur vom 21. Juni - meines Erachtens nach ein handfestes Indiz dafür, dass es tatsächlich stimmliche Probleme waren, welche die Erst-Version scheitern ließen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mir wäre nicht bekannt, dass Sinatra das Lied in sein Konzertprogramm eingebaut hätte, es darf aber keineswegs ausgeschlossen werden, dass er es seinerzeit nicht doch ab und an live dargeboten hat, so unwahrscheinlich es uns heute auch bedünken möge.
Meiner Meinung nach ist die Nummer innerhalb Sinatra´s Oeuvre selten kurios, eher unfreiwillig komisch und ein künstlerischer Fehlgriff. In einem später noch zu erfolgenden Beitrag werde ich mich - das ist ein Versprechen, und ich pflege ein solches in der Regel zu halten, außer ich entschließe mich ganz bewusst zu einem Regelbruch - noch eingehender sowohl der Sinatra-Version als auch der Diamond-Version widmen (glucklicherweise stehe ich im Besitz der erwähnten LP Beautiful Noise, abgesehen davon finden Sie die Diamond-Version - wenn´s beliebt - übrigens auch auf dem Sampler In My Lifetime). Inzwischen aber, meine hochverehrten Damenherren, sind Sie dazu angehalten, selbst tätig zu werden, also die berüchtigte Disk Numero Siebzehn der Reprise Studio Recordings einzuführen und anschließend mit Ihrer Meinung hierorts nicht hinter den Berg zu halten.
Ausnahmsweise liefere ich Ihnen den (reichlich kryptischen) Text der Nummer frei Haus, mit ihm sich insbesondere zu befassen, soll uns und vor allem Ihnen ein Auftrag sein - ich muss nämlich gestehen, dass ich seinen Sinn ganz und gar nicht zu begreifen imstande bin, in der Tat - ich hör´ die Worte, doch begreif´ nicht ihren Sinn.
Dry your eyes and take your song out, it's a newborn afternoon If you can't recall the singer, you can still recall the tune
Dry your eyes and play it slowly, like you're marching off to war, Sing it like you know he'd want it, like we sang it once before
From the center of the circle to the midst of the waving crowd If it ever be forgotten, sing it long and sing it loud
Come dry your eyes
And he taught us more about giving than we ever cared to know But we came to find the secret and we never let it go
And it was more than being holy, though it was less than being free And if you can't recall the reason, can you hear the people sing Through the lightning and the thunder, to the dark side of the moon To that distant calling angel who descended much too soon
And come, dry your eyes
Wohlan, meine Damen, meine Herren - soweit es mich betrifft, habe ich hiermit die besten Voraussetzungen für eine ersprießliche Diskussion geschaffen, somit sei der Startschuss als abgefeuert angesehen. Ans Werk, meine lieben Freunde, ans Werk!
Sehr geehrte Damen und Herren Leserinnen und Leser - Sie befinden sich in einer Kommunikationseinrichtung, welche den ENTERTAINER OF THE CENTURY (mit anderen Worten SINATRA, SINATRA und nochmals SINATRA) in ersprießlicher Weise thematisiert wissen möchte. Geschätztes Publicum: Diese Einrichtung ist in der Tat so hochgradig erquickend, so ungemein gastlich, der Wohlfühlfaktor so enorm hoch, dass es kurzum nichts Geringeres denn eine wahre Lust ist, sich hierorts aufzuhalten und sich durch die mannigfaltigen Rubriken zu bewegen! Sehen Sie sich gut und in aller Ruhe um und Sie werden - darauf mein Wort - nicht umhinkommen zu sagen: "Hier ist es schön, hier will ich bleiben."
*** Wertes Publicum: FRAU CHARLOTTE ROCHE ist eine GÖTTIN - eine WAHRE GÖTTIN ***