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 SINATRA - DIE SONGS
Holger Schnabl
Prinzipal & Melancholiker


Beiträge: 1.635

06.06.2012 15:08
Everything Happens To Me (1941, 1956, 1974, 1981) Zitat · Antworten

Guten Tag!

Ein herrliches Diskussionsthema sei hiermit aufs Tapet gebracht, meine Hochgeehrten - ein Song, von dem es Aufnahmen aus allen Phasen von Sinatras Karriere gibt, entstanden in einem Zeitraum von vierzig Jahren:


Everything Happens To Me
(Musik und Text: Matt Dennis & Tom Adair)


Studio-Aufnahmedaten:

7. Februar 1941 (RCA)
4. April 1956 (Capitol)
24. September 1974 (Reprise)
8. April 1981(Reprise)

Sie finden die Aufnahmen auf folgenden Tonträgern - diese Aufstellung erhebt keinenen Vollständigkeitsanspruch, wiewohl die wichtigsten Tonträger freilich enthalten sind. Sollten Ihnen, meine hochverehrten Herrendamen, weitere Tonträger oder auch weitere von Sinatra gesungene, nicht gelistete Aufnahmen bekannt sein, so ersuche ich Sie, dieselben nachzutragen.

Version Numero Eins finden Sie etwa in der 5CD-Box The Songs Is You, Numero Zwo auf dem Album Close To You. Numero Drei (sowie auch Vier) können auf der 20-CD-Box The Complete Reprise Studio-Recordings nachgehört werden. Numero Vier auch auf einem Sampler gleichen Namens, welcher anno 1996 auf den Markt geworfen wurde. Zusätzlich sind die Aufnahmen zum Teil wohl noch auf diversen Samplern vertreten, hier genau und zeitraubend Nachschau zu halten, übersteigt jedoch momentan sowohl meine Kräfte als auch meinen Willen.

Wollen Sie mir stattdessen zunächst erlauben, Ihnen meine Meinung zum Gegenstand dieser Diskussion zu entdecken:


Zunächst zu der für mich in jeder Hinsicht gelungensten und mit großem Abstand erquicklichsten Fassung des Songs, ich spreche hier naturgemäß von keiner anderen Version als jener, die 1941 zusammen mit Tommy Dorsey aufgenommen wurde. – Mit andächtiger Ergriffenheit lauscht man dieser Version und kommt aus dem Staunen gar nimmer heraus, wie perfekt hier Song, Stimme, Interpretation und Orchester-Begleitung harmonieren! Superb, famos, exquisit – mit Sicherheit eines der absoluten Glanzlichter der an Glanzlichter so ausgesprochen reichen Dorsey-Phase. Die Beseeltheit und Überzeugungskraft, mit der Sinatra den Song mit unglaublicher Nachdrücklichkeit interpretiert und in seiner ganzen Tiefe auslotet, ist wohl kaum von einem anderen Vokalisten zu übertreffen. Grandios! Sublim! Das Arrangement von Axel Stordahl, dem Großartigen und Einmaligen, ist ebenfalls an Spannung und Eindringlichkeit nicht zu übertreffen. Kurzum, man ist zutiefst und aufs Nachhaltigste bewegt. - Das einzige, was man unter Umständen vielleicht bemängeln könnte, ist der Umstand, dass der „Sentimental Gentleman“ Dorsey in dieser Aufnahme nicht solistisch hervortritt.

Die nächste Version stammt aus der Capitol-Periode und mit einiger Erwartung legen wir das Album „Close To You“ ein, welches wir schon seit Monaten nicht mehr in Händen gehalten haben. Einer so großartigen Darbietung wie der nämlichen von 1941 kann kaum etwas Gleichrangiges folgen, so viel war uns natürlich von Vorneherein klar – und in der Tat, genau so verhält es sich auch: Die Capitol-Version hat gleichfalls ihren Reiz, aber Sinatra mangelt es hier irgendwie an Überzeugungskraft, auf dieser Aufnahme scheint er uns innerlich nicht in dem Ausmaße beteiligt zu sein wie vormals bei Dorsey. Das Arrangement von Maestro Nelson Riddle ist ebenfalls nicht schlecht, aber irgendwie ohne Spannung und kann es mit dem von Stordahl letztlich doch nicht so ganz aufnehmen. Aus all diesen Gründen springt also der Funke, obgleich Sinatra auch hier sehr gut singt, nicht in der Art und Weise herüber wie bei der Version von anno 1941 – aber wie sollte man auch diese Jahrhundertleistung wiederholen bzw. etwas ihr Ebenbürtiges erreichen? Mehr als einhundert Prozent geht eben nicht und diese einhundert Prozent hatte Sinatra bereits mit seiner ersten Version des Titels erreicht. Hier, im Jahre 1956 erreicht er meines Dafürhaltens etwa fünfundachtzig Prozent, was ja immerhin angesichts der grandiosen und meisterhaften Vorgabe ein immerhin beachtliches, ja gutes Abschneiden im Direkt-Vergleich bedeutet. Nichts desto findet man meiner Ansicht nach auf dem superben „Close To You“-Album viele Titel, die Sinatra weit überzeugender bringt als diese Neu-Aufnahme von „Everything Happens To Me“. Diese Version hinterlässt also bei mir alles in allem einen zwar guten, zugleich aber auch etwas farblosen Eindruck.

Nun heißt es noch einige Worte über die beiden Spaeth-Versionen aus der Reprise-Phase zu verlieren, und es wird niemand besonders überraschen, dass nun der Ton meines Eintrages ein wenig rauer, ja vielleicht sogar harscher wird, ja zwangsläufig werden muss.

Das einzig Positive, was ich für meinen Teil an der 74er-Version ausmachen kann, ist das umwerfend betörende Arrangement von Gordon Jenkins. Meisterlich! Ich halte es für sehr viel ersprießlicher als jenes von Riddle. Die Qualität des an sich schon ganz anders gearteten stordahlschen Arrangements erreicht es allerdings nicht, kann es wohl auch nicht – trotzdem gefällt mir auch dieses Arrangement sehr, sehr gut. Leider aber ist Sinatra´s Stimme wie bei den meisten Post-Retirement-Aufnahmen der große, der ganz große Schwachpunkt. Dass diese Fassung lange Jahre in den Archiven schlummerte, ist hinsichtlich dieses Umstandes nur allzu verständlich, man wollte niemandem zumuten, dafür bezahlen zu müssen, weder damals im Jahre 1974 noch später war Irgendjemandem mit der Veröffentlichung auch nur in irgendeiner Weise gedient, mehr noch, ich gehe so weit zu sagen, die Veröffentlichung schadet dem künstlerischen Andenken Sinatras. - Sich mit dieser stimmlichen Verfassung an die Interpretation dieser nicht unschwierig zu singenden Ballade zu machen, grenzt an völlig realitätsfremde Selbstüberschätzung – das Ergebnis ist demnach meiner Ansicht nach ein kläglich misslungener Versuch. Sinatra´s Stimme hat hier nichts, aber auch schon überhaupt gar nichts mehr von jenen Qualitäten, welche die beiden früher entstandenen Versionen – besonders jene von 1941 - auszeichnen und so überaus bekömmlich machen.

Dieses unbewegliche, unelastische Knarzen und Knarren, dieses geradezu Weinerliche in den Wechseln von tieferen zu höheren Stimmlagen – kurzum ein Jammer und zum Händeringen! Es ist neben der zunehmenden Brüchigkeit der Stimme vor allem dieses weinerliche Element, das sich Sinatras Stimme nach dem Comeback beimischte, welches mir die allermeisten Aufnahmen dieser Periode nach 1973 rundheraus gesagt vergällt. Ich glaube nicht, dass Sinatra damals diesen Song absichtlich derart ruiniert hat, vielleicht bemühte er sich sogar redlich soweit die Kräfte reichten, doch – ach herrjemine – er bemühte sich vergeblich... Wo sind nur die Zeiten, schießt es einem unversehens durch den Kopf, wo sind nur die hehren Zeiten, in denen Sinatra durch seinen Gesang und seine interpretatorischen Fähigkeiten einen an sich vielleicht sogar lausigen Song zu einem Kunstwerk machen konnte? Vergangen, lang vergangen... Damals anno 1974 machte Sinatra aus einem Kunstwerk, als welches ich diese meisterliche Ballade ansehe, zu einer Art von – ich kann es leider nicht anders nennen - akustischem Sondermüll.

Aber unter nicht unbeträchtlichen Qualen für Leib und Seele übersteht man auch diese Aufnahme – zwar flehen die geschundenen Ohren verständlicherweise bereits um Schonung, doch gilt es der Vollständigkeit halber die Gehörgänge mit noch einer weiteren Spaeth-Version, diesmal von anno 1981, zu malträtieren. Auch hier gilt wieder der Befund, der schon oben skizziert wurde: Allein das Jenkinsche Arrangement verdient positive Erwähnung, Sinatras Vortrag ist wie schon 1974 für jeden Hörer, der die Columbia- und Capitol-Aufnahmen des Sängers für seine besten Einspielungen erachtet, nur sehr schwer zu ertragen und die Tatsache, dass die Nummer damals nicht mit auf das Album „She Shot Me Down“ genommen wurde, scheint eine Bekräftigung meiner Geringschätzung dieser Aufnahme zu sein. Sinatras Stimme eignete sich nach dem Comeback 1973 beim besten Willen nicht mehr für schwierig zu singende Saloon-Songs dieses Kalibers. Ich ahne schon, dass wieder der eine oder andere hier das Argument in die Waagschale werfen könnte, Sinatra´s interpretatorische Fähigkeiten seien im Alter noch gewachsen und würden seine stimmlichen Probleme womöglich gar aufwiegen. – Nun, im Gegensatz dazu bin ich der Meinung, dass seine interpretatorischen Fähigkeiten mit dem Alter nicht zu- sondern spaethestens nach 1970 ebenso wie seine gesanglichen Fähigkeiten – diese schon nach 1965 - abgenommen haben. Im Übrigen hilft das Wissen, wie ein Song am besten zu interpretieren ist, nicht viel wenn man die Stimme dazu nicht mehr hat – Mit einem Schi allein kann man halt kein Rennen gewinnen.

Abgesehen davon leiden diese Spaeth-Versionen auch unter einem eklatanten Mangel an Glaubwürdigkeit – während man dem 26-jährigen Sinatra das jugendlich-übertriebene Selbstmitleid von „Everything happens to me“ in jedem Satz und jedem Wort abnimmt, erscheint uns der 59-jährige bzw. später dann 66-jährige Sinatra unweigerlich als Poseur – zuviel Kalkül und zu wenig echte Überzeugungskraft.

Aber zurück in die gloriosen 40er-Jahre, wo Sinatra noch ganz wie ein Fisch im Wasser in seinem Element war und er die Perlen seiner Kunst nur so aus dem Handgelenk heraus unters Volk streute: Die Dorsey-Version von „Everything Happens To Me“ ist für mich die ultimative Interpretation dieses Songs, gültig wahrscheinlich für alle Zeiten. Jeder Versuch Sinatras, dieses Kunststück in späteren Jahren noch einmal wiederholen zu wollen musste zwangsläufig scheitern, bei den beiden Spaeth-Versionen sogar unabwendbar in einem veritablen Debakel enden. Daher mein Resümee: Es lebe die 41er-Version! Sie lebe hoch! Was für ein Ohrenschmaus, meine lieben Freunde, unvergleichlich! Ich denke, ich werde nun nicht umhinkommen, die Dorsey-Version gleich noch einmal – und zwar am besten wiederholt – aufzulegen, um erneut im Wohlklang zu schwelgen...

Meine hochgeehrten Leserinnen und Leser, meine geschätzen Damenherren: Wieder einmal liegt es nun an Ihnen - und ganz speziell an Ihnen - dafür zu sorgen, dass die von mir angestoßene Diskussion Fahrt aufnimmt - ich darf Sie also ganz in diesem Sinne einmal mehr aufs eindringlichste bitten.

Allen noch einen gemütlichen Abend
H.S.


Statten Sie bei Gelegenheit auch meiner umfangreichen Sinatra-Webseite einen Besuch ab:
Entertainer Of The Century – Das ULTIMATE EVENT unter den Sinatra-Seiten

 Sprung  

Sehr geehrte Damen und Herren Leserinnen und Leser - Sie befinden sich in einer Kommunikationseinrichtung, welche den ENTERTAINER OF THE CENTURY (mit anderen Worten SINATRA, SINATRA und nochmals SINATRA) in ersprießlicher Weise thematisiert wissen möchte. Geschätztes Publicum: Diese Einrichtung ist in der Tat so hochgradig erquickend, so ungemein gastlich, der Wohlfühlfaktor so enorm hoch, dass es kurzum nichts Geringeres denn eine wahre Lust ist, sich hierorts aufzuhalten und sich durch die mannigfaltigen Rubriken zu bewegen! Sehen Sie sich gut und in aller Ruhe um und Sie werden - darauf mein Wort - nicht umhinkommen zu sagen: "Hier ist es schön, hier will ich bleiben."

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