Immer wieder im Laufe von Sinatras Karriere wurden Pläne für Alben gemacht, die dann letztlich aus diesen oder jenen Gründen doch nicht realisiert wurden. Von diesen abgebrochenen Projekten vermutlich am Weitesten fortgeschritten war der Plan, ein Album mit „Ladies“-Songs aufzunehmen.
1976/77 in Angriff genommen, sollte aus dem Projekt ursprünglich ein 3-LP-Set hervorgehen, welches ausschließlich Nummern beinhalten sollte, die Frauennamen im Titel führen. - Zumindest theoretisch eine sehr gute Idee und in jedem Fall eine Annäherung an den alten Concept-Album-Gedanken, den Sinatra in den Jahren zuvor ziemlich vernachlässigt hatte (zuletzt trug Sinatra mit dem 1970 veröffentlichten Album „Watertown“ diesem Gedanken Rechnung).
Letztendlich wurde jedoch auch das „Ladies“-Projekt fallengelassen. Das „Vermächtnis“ der Sessions für dieses Album besteht aus den folgenden in Los Angeles aufgenommenen Titeln, welche Sinatra in überaus unterschiedlicher stimmlicher Form zeigen:
Nancy (9.3.1977) Emily (9.3.1977) Sweet Lorraine (14.3.1977) Linda (14.3.1977) Barbara (14.3.1977)
Die ersten drei Titel erschienen erstmals 1990 auf dem 4-CD-Set „The Reprise Collection“, die letzten beiden 1995 auf der kolossalen 20-CD-Edition „The Complete Reprise Studio Recordings“.
Arrangiert wurden diese Songs von Nelson Riddle, der für die gesamte Orchestrierung des geplanten Albums vorgesehen war.
Nun denn, liebe Leserin, werter Leser, was halten Sie von diesen Songs, stellen Sie Spekulationen über die Erfolgsaussichten dieses Albums im Falle seiner Fertigstellung und Veröffentlichung an, liefern Sie Informationen bzw. Ihre Gedanken dazu, warum dieses Projekt seinerzeit nicht zum Abschluss gebracht wurde.
Nancy (9.3.1977)´ Ein schöner Song, auch in dieser Version. Wobei angesichts ihrer alptraumhaften Veröffentlichungspolitik zu fragen bleibt, in wiefern das Weibsstück einen solch schönen Song überhaupt verdient hat. Die Stimme klingt für diese Zeit überraschend gut, was wahrscheinlich daran liegt, dass dieser Song nur wenige Noten in den höheren Tonlagen beinhaltet. Dennoch bevorzuge ich weiterhin die Ur-Version aus den 40ern. Sie ist dieser in fast allen Belangen überlegen (sieht man mal von der Aufnahmequalität ab).
Emily (9.3.1977) Gar nicht mal schlecht dieser Song, eine nette Melodie und auch ein schönes Arrangement. Ich versuche mir gerade vorzustellen, wie der Song in den 50ern geklungen hätte, aber das sollte man wohl nicht tun.
Linda (14.3.1977) Bei diesem Song kommt die saft- und kraftlose Interpretation Sinatras voll zur Geltung, zur Stimme muss man wohl nicht viel schreiben.
Barbara (14.3.1977) Eine Schlaftablette erster Güte, Sinatras Gesang passt dazu perfekt und das muss auch Sinatra erkannt haben, denn nach diesem Song war endgültig Schluss - bis "I Had The Craziest Dream", der ersten Aufnahme des wunderbaren "Trilogy"-Albums.
Sehr geehrte Damen und Herren, mit Ihrer Erlaubnis möchte ich dies Thema, welches recht ungenau funf Jahre alt ist, erneut zur Diskussion stellen. Am Rande vermerkt: Das Herumkramen in den Archiven dieser hochgastlichen und unerreicht erquickenden Einrichtung fördert manch herrliches, seinerzeit leider wenig beachtetes Diskussionsthema zu Tage - so eben auch dieses, welches ich persönlich als ein ganz besonders Ersprießliches erachte. Bahn frey, werthes Publicum!
Die Planung eines "Ladies"-Projekts finde ich von der Grundidee her sehr gut, zumal bekannt ist, dass es sich hauptsächlich um Damen handelt, die das Gros der Plattenkonsumenten damals wie auch heute darstellt. Hinzugekommen wäre der individuelle Aspekt von -zig Frauennamen, die dem Verkauf gewiss eine zusätzliche Dimension beschert hätte. Angesichts der Qualität der wenigen hierfür produzierten Titel kann es jedoch wohl nur als weise angesehen werden, dass dieses Projekt nie zur Realisierung gelangte. Gerade "Linda" oder "Barbara" empfinde ich als ebenso nichtssagend wie substanzlos und infolgedessen eines Mr.Sinatra nicht würdig.
"Die Überzeugung, dass es nur eine Wahrheit gibt und man selbst in ihrem Besitz ist, ist die tiefste Wurzel allen Übels der Welt." (Max Born)
Abgesehen davon, dass der Zeitpunkt dafür meines Erachtens zu spät war, was für eine Art von Konzeptalbum wäre das geworden? Größtenteils neu geschriebene dem Zeitgeschmack entsprechende Balladen? Oder eine inhomogene Mischung aus Stücken verschiedenster Zeit und Stilrichtung? Etwas, das in der stilistischen Einheit, bzw. dem Mangel daran, einem Come Fly With Me gleichkommt, nur mit dem Unterschied, dass man hier ganz auf Klassiker verzichten muss? Ich finde es überhaupt nicht bedauernswert, dass dieses Album nie herausgegeben wurde. Es reicht eben in den seltensten Fällen für ein Konzept eines "Konzeptalbum" (den Begriff bin ich leid geworden), wenn eine thematische Einheit auf Biegen und Brechen künstlich hergestellt wird.
Das Faszinierende an qualitativ hochwertigen Alben "aus einem Guss" wie Point of No Return, Close to You oder Only the Lonely ist, dass sich der rote Faden auch musikalisch durch das Album zieht. Hätte man so etwas beim Ladies-Album versucht, hätte man entweder nur eigens komponierte Stücke verwenden können - was dann durch die thematische und klangliche absolute Homogenität ein eher unterdurchschnittlich langweiliges Konzept ergeben hätte, vergleiche dazu America, I Hear You Singing - oder man hätte eine bunte Mischung aus sämtlichen vorhandenen Songs aller Perioden produzieren können, die wiederum nur das inhaltliche Element eint, wie eben bei Come Fly with Me geschehen. Nein, ich wiederhole mich, ein gutes Konzeptalbum braucht Einheit in Sujet und Stil. Mehr noch, um über 45 Minuten nicht langweilig zu werden, auf der stilistischen Seite eine gewisse subtile Vielschichtigkeit, die trotzdem auf einer allgemeineren Ebene als Einheit wahrgenommen werden kann.
Für diese ganze Palette an Anforderungen ist der Konzeptaufhänger Ladies ein bisschen wenig, weil er keine allgemeingültigen Bilder und Assoziationen vor unserem geistigen Auge entstehen lässt, nichts, womit sich die gesamte Gesellschaft mehr oder weniger vereint identifizieren kann, kein Klischee (im positiven Sinne), das dann durch das Album bedient werden kann. Gute Konzept-Themen, wenn auch nicht alle für Sinatra besonders geeignet, sind - und hier glaube ich mir aus der Perspektive der Vermarktung eine gewisse objektive Ausdrucksweise anmaßen zu dürfen - Dinge wie Cuba, Weihnachten, Vaudeville, der Wilde Westen, Liebeskummer, Kindheit*, Herbst, Rummel, Seefahrt, Jazz, Science Fiction, Italien, Halloween, Disco ...
Wer weiß noch mehr, im Sinne eines unreflektierten Brainstorming? Vielleicht fördern wir so gemeinschaftlich Albenthemen zutage, die Sinatra unbedingt oder auf keinen Fall verwirklichen sollen hätte. Im Grunde sind es alles Motive, die sich auch für Postkarten, Gemälde oder Bücher eignen würden. Nun mag einer sagen, Frauen sind ein unerschöpfliches Thema dafür, und er liegt richtig, aber auch nur, wenn man den Raum hat, Ausdruck und Geschichte hinein zu legen. 3 Minuten 30 sind dafür nicht das geeignete Medium, 76,8 x 53 cm reichen allerdings aus, wie Meister Leonardo "bewiesen" hat.
Weitere Einfälle? À vous, audience!
* obwohl jeder seine eigene anders erlebt, gibt es genügend gesellschaftliche gemeinsame künstlich konstruierte "Erinnerungen"
Be who you are and say what you feel because those who mind don't matter and those who matter don't mind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren: Die Erfolgsaussichten dieses nie zustande gekommenen Albums schätze ich nicht sonderlich hoch ein, Mitte der Siebziger Jahre waren die Zeiten, in welchen ein neues Sinatra-Album vorderste Charts-Plätze hätte belegen können, freilich längst vorbei.
Das Konzept an sich hätte auf ein kommerziell und künstlerisch ersprießliches Ergebnis hoffen lassen, wäre es funfzehn Jahre früher realisiert worden. Neunzehnhundertundsiebenundsiebenzig hingegen war das künstlerische Ablaufdatum des Sängers bereits überschritten. Je nun, das Konzept an sich mag etwas dünn erscheinen, aber es wäre möglich gewesen, etwas daraus zu machen - etwa indem man eine Hälfte des Albums mit schnellen Stücken, die andere mit Balladen befüllt hätte, um innerhalb des Verlaufes Stilbrüche zu vermeiden. Ein Problem sehe ich allerdings darin, dass Sinatra die wichtigsten Songs des American Songbook, welche Frauennamen im Titel haben, allesamt zu einem früheren Zeitpunkt schon einmal aufgenommen hatte: Sheila, Laura, Stella By Starlight, Tina, Nancy und wie sie alle heißen mögen. Somit waere der Vergleich mit den alten Aufnahmen unausbleiblich gewesen und höchstwahrscheinlich sehr zu Ungunsten des alten Barden ausgefallen, dessen gesangliche Fähigkeiten Mitte der Siebziger Jahre immens nachgelassen hatten. Neue Songs schreiben zu lassen wäre eine Alternative gewesen, aber wirklich gute Songs können nicht am Fließband und auf Zuruf geschrieben werden - sie entstehen einfach. So gesehen wäre eine Auftragsarbeit wohl nicht unbedingt das beste Mittel der Wahl gewesen.
Führt man sich die wenigen damals gemachten Aufnahmen zu, so wird einem recht schnell klar, wie sehr Sinatra zu dieser Zeit offenbar von seyner Tagesverfassung abhängig war - gelang ihm an einem Aufnahmetag ein Titel halbwegs passabel, so lieferte er einige Tage später bei der nächsten Aufnahmesitzung ein absolutes Debakel ab. Unter solchen Voraussetzungen ein Album zu realisieren ist verständlicherweyse ausgesprochen schwierig. Womöglich war dies letztendlich auch der Hauptgrund, der zum Abruch des Projekts geführt hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren besehen wir uns die Stücke, die damals tatsächlich eingespielt wurden:
Nancy (9.3.1977) Emily (9.3.1977) Sweet Lorraine (14.3.1977) Linda (14.3.1977) Barbara (14.3.1977)
Nancy Dieser Titel besticht durch ein gelungenes Arrangement von Meyster Riddle und sogar der bejahrte Barde zeigte sich am Aufnahmetag ausnahmsweise in durchaus annehmbarer, wenn freilich auch altersgemäßer stimmlicher Verfassung. In Ansätzen durchaus erquickend und hätte sich diese Form durch ein ganzes Album gezogen, hätte sich Sinatra für dies Alterwerk zumindest nicht zu schämen brauchen.
Emily Auch hier stimmt das Arrangement, auch hier (die Aufnahme entstand am selben Tag, an welchem auch Nancy eingespielt wurde) liefert Sinatra eine zumindest akzeptable Leistung, die stimmlich wundersamerweise im Großen und Ganzen gar nicht einmal so weit unterhalb der Erst-Aufnahme des Songs (1964, so ich mich recht entsinne) liegt. Freilich, die beiden Versionen unterscheiden sich nicht signifikant, sodass die Nothwendigkeit der Neuaufnahme hinterfragt werden darf (vielleicht sogar muss).
Sweet Lorraine Nelson Riddle versorgte Sinatra mit einem ausgesprochen jazz-lastigen Arrangement, welches mir erhebliches Pläsier bereitet. Des Barden Stimme jedoch befand sich leider an diesem Aufnahmetag einmal mehr in einem entsetzlichen Tief, hier blieb nur mehr ein einziges Knarren, Knarzen und Bröckeln, wo, meine sehr verehrten Damen und Herren, blieb damals der leichtfüßige Swing, welcher Sinatras einstige Swing-Titel so ausgesprochen bekömmlich zu machen pflegte. Dahin, dahin...
Linda Nelson Riddle arrangierte diesen Song locker und leicht swingend und brachte durch die Verwendung eines E-Pianos Abwechslung in den Sound. Sinatra allerdings ist in schier fürchterlicher stimmlicher Verfassung, weit, weit schlechter als noch wenige Tage zuvor bei den Aufnahmen zu Nancy und Emily, des Barden Stimme klingt müde, schwach und weinerlich. Die Stimme ist steif, unbeweglich und regelrecht eingerostet. - Alles in Allem die wohl schlechteste Vocal- Performance Sinatras bis zu diesem Zeitpunkt. Zum Verzweifeln...
Barbara Diese offenbar seiner vierten Ehefrau gewidmete Nummer erweist sich als echte Schlaftablette und sollte keinesfalls während einer Autofahrt gehört werden. Dieser Eindruck wird durch Sinatras auch hier wieder ausgesprochen zerfranst und müde wirkende Stimme noch gesteigert. Was offenbar ein Loblied an die Dame werden sollte, wird mit ausgesprochen wenig stimmlicher Überzeugungskraft saft- und kraftlos und mit theilweise herzlich wenig Emotion dargeboten. Funzehn Jahre zuvor wäre aber auch aus diesem an sich eher mittelmäßigem Song einiges herauszuholen gewesen, wozu der alter Sinatra freilich nicht mehr imstande war.
Zu den von Franz weiter oben angesprochenen, möglichen Konzepten für Sinatra-Alben: Cuba: Meiner Meinung nach für den Barden eher ungeeignet. Weihnachten: bereits mehrfach abgehandelt. Vaudeville: Gottlob stand derlei nie auf dem Speiseplan. der Wilde Westen: Eine entsetzliche Vorstellung. Liebeskummer: zieht sich ohnehin wie ein roter Faden durch viele Sinatra-Alben. Die anderen Vorschläge, abgesehen vom Herbst-Thema, halte ich für Sinatra eher ungeeignet. Das Science-Fiction-Motiv finden wir allerdings in Ansätzen auf Trilogy: The Future - in allerdings reichlich naiver Weise verarbeitet, je nun... Ein meiner Ansicht nach gutes Thema wären die vier Jahreszeiten gewesen: Ein Doppel-Album, vier LP-Seiten jeweils einer Jahreszeit gewidmet, hätte durchaus seinen Reiz gehabt, freilich umso mehr, je früher Sinatra es aufgenommen hätte.
Sehr geehrte Damen und Herren Leserinnen und Leser - Sie befinden sich in einer Kommunikationseinrichtung, welche den ENTERTAINER OF THE CENTURY (mit anderen Worten SINATRA, SINATRA und nochmals SINATRA) in ersprießlicher Weise thematisiert wissen möchte. Geschätztes Publicum: Diese Einrichtung ist in der Tat so hochgradig erquickend, so ungemein gastlich, der Wohlfühlfaktor so enorm hoch, dass es kurzum nichts Geringeres denn eine wahre Lust ist, sich hierorts aufzuhalten und sich durch die mannigfaltigen Rubriken zu bewegen! Sehen Sie sich gut und in aller Ruhe um und Sie werden - darauf mein Wort - nicht umhinkommen zu sagen: "Hier ist es schön, hier will ich bleiben."
*** Wertes Publicum: FRAU CHARLOTTE ROCHE ist eine GÖTTIN - eine WAHRE GÖTTIN ***