Für unser aktuellstes Diskussionsthema wollen wir uns weit zurück in Sinatras Capitol-Vergangenheit begeben, zurück zur ersten Aufnahmesession für das damals noch verhältnismäßig kleine Label, welches nach dem Verlust des Vertrages bei Columbia zu Sinatras neuen Heimat wurde. Der Vertrag, der Sinatra für sieben Jahre an Capitol band, wurde am 14. März des Jahres 1953 unterzeichnet und die Zeit bei Capitol gehört ohne jeden Zweifel zu den künstlerisch fruchtbarsten Jahren in der Karriere des Sängers.
„Lean Baby“ wurde am zweiten April 1953 in Hollywood aufgenommen. Die Leitung des Studio-Orchesters oblag Sinatras langjährigem Weggefährten Axel Stordahl, unter den Session-Musikern finden wir Bill Miller am Klavier sowie Tad Nash und Heini Beau an den Saxofonen. Von Letzterem stammt auch das Arrangement für diese Nummer, welche ursprünglich von Billy May als Instrumental-Stück komponiert worden war und für die Roy Alfred den Text schrieb.
Wohl an, schreiten Sie also zur Tat, lassen Sie uns Ihre Ansichten zu „Lean Baby“ wissen! Unterschied sich diese Nummer deutlich von Sinatras zuletzt für Columbia aufgenommenen, eher anspruchslosen Up-Tempo-Nummern? Sind aus dieser Aufnahme bereits Anklänge an die musikalischen Meilensteine, die in den Jahren bei Capitol folgen sollten, herauszuhören?
Auch hier bleibe ich Ihnen selbstverständlich den Text des Songs nicht schuldig:
My lean baby, tall and thin, 5 feet 7 of bones and skin But when she tells me, baby, she loves me I feel as mellow as a fellow can be.
She's so skinny, she's so drawn, When she stands sideways you'd think she's gone But when she calls me baby, I feel fine To think she's frantically, romantically mine.
She's slender, but she's tender. She makes my heart surrender. And ever night when I hold her tight, The feelin' is nice - my arms can go around twice
My lean baby she's so slim A broomstick's wider but not as trim And when she starts to kiss me Then I know I love her so, I'll never ever let her go.
No - my lean baby, strange to see And all that nothin' it belongs to me. And though she may be scrawny she's OK Because I wouldn't want her any other way.
Man, she's so skinny, she's so drawn, When she stands sideways you would think that she's gone But when she calls me baby, I feel fine To think she's frantically, romantically mine.
I chased her and I caught her. Then a diamond ring I brought her. Hey, the diamond shines, the ring is so fine, but here is a twist - she wears it right on her wrist.
My lean baby she's so slim A broomstick's wider but not as trim And when she starts to kiss me Then I know I love her so, I'll never ever let her go
Allen noch einen gemütlichen Abend H.S.
Gesendet: 00:10 - 11.02.2004 von MARCUS PROST: Hallo zusammen, "Lean Baby" ist sicher ein nettes, wenn auch textlich sicher belangloses Lied, welches aber am Anfang einer Epoche stand, die Weltmusikgeschichte geschrieben hat; die Capitol-Ära. "Lean Baby" war der Anfang... danach öffnete sich ein neues Kapitel im Geschichtsbuch......
Marcus
Gesendet: 11:36 - 11.02.2004 von HOLGER SCHNABL: Guten Tag!
Später werde ich mich noch eingehender mit dem Song befassen, hier vorerst einmal eine Anmerkung zum Text: Er ist natürlich nicht anspruchsvoll, aber doch stellenweise sehr witzig und zudem heute in Zeiten, wo bei jungen Frauen und Mädchen eine verstärkte Neigung zur Magersucht beobachtet werden kann, vermutlich noch aktueller als damals...
Wertes Publicum, es tut meiner bescheidenen Meinung nach unbedingt not, sich wieder dieses schon Jahre alten Themas zu erinnern und es weiter aufzuarbeiten, weiter und intensiver als es bislang geschah. Möglicherweise beeindruckt von inzwischen gemachten Hörerfahrungen, mag Ihr Urteil heute womöglich nicht dasselbe, sondern ein gänzlich anderes seyn. Befassen wir uns also erneut mit dieser allerersten Aufnahme Sinatras für das Label Capitol - sozusagen der Beginn seines Triumphzuges, welcher all jene, welche ihn Anfang der Funfziger Jahre musikalisch bereits für tot erklärten, eindrucksvoll(st) Lügen strafte. Vergessen Sie dabei nicht, Vergleiche zwischen der Endphase der Columbia-Jahre und eben jenen Anfangstagen bei Capitol zu ziehen, arbeiten Sie nach Möglichkeit Unterschiede heraus, weisen Sie auf Gemeinsamkeiten hin. - Frisch ans Werk, meine lieben Freunde.
Okay, hier hören wir also den Startschuss für Sinatra's Laufbahn bei Capitol. Was auf diesem Label noch alles folgen sollte, kann man hier nun wahrlich nicht heraushören. Das Stück ist allenfalls der Beweis dafür, dass der Übergang zwischen Columbia und Capitol ein fließender war, da ist wirklich kaum ein Unterschied zu all den sinnlosen Columbia-Aufnahmen. Ich will das Lied keinesfalls schlecht machen, es ist ganz witzig und Sinatra hat hörbar seinen Spaß, aber hinter dem Ofen lockt es mich nicht hervor.
Sinatra soll ja große Gewissensbisse gehabt haben, sich von Axel Stordahl zu trennen - mal gut, dass er es dann doch getan hat, trotz Stordahls zahlreicher und immenser Verdienste. Einen kleinen, aber nicht zu überhörenden Einfluss des Rock'N'Roll und ähnlicher Musikformen hören wir hier, was ja an sich nicht zu verachten ist, aber das Arrangement ist so klobig und Sinatra klingt in dieser Umgebung derart hölzern, da bin ich einfach froh, dass die Capitol-Phase insgesamt doch anders ausgesehen hat. Man höre auf der Singles-Collection nur zwei Songs weiter - welch ein himmelweiter Qualitätsunterschied in jeder Hinsicht!
Kein Knaller, eher eine Knallerbse, mit der Sinatra da seine neue Phase eingeleitet hat.
Thorsten Bode
Züchtige mich, Herr, - doch mit Maßen und nicht in deinem Grimm, auf daß du mich nicht aufreibst.
Aus dieser ersten Aufnahme für Capitol lassen in der Tat kaum die historisch bedeutsamen Glanzleistungen der kommenden Jahre ableiten. Der Unterschied zu ähnlich gestrickten Songs der Columbia-Phase ist kaum auszumachen, wenngleich doch angemerkt werden soll, dass der Text immerhin durchaus humorvoll ist - zumindest weitaus weniger blödsinnig als mancher aus der Endphase der Columbia-Jahre.
Auch dem Arrangement kann man durchaus einiges abgewinnen, allerdings schafft es durch das hohe Tempo ein enges Korsett für Sinatra - zu eng, um ihm die Möglichkeit zu geben, seine Talente voll zu entfalten. Er hat hier keine Möglichkeit, mit den Silben der Wörter zu spielen, sie zu verschleppen und die Töne zu verschleifen, wie er es auf vielen seiner besten Aufnahmen gewohnt war zu tun. Tatsächlich wirkt der Barde in dem Lied eigentlich wenig heimisch, stellenweise schreit er den Text eher als dass er singt, wodurch seinem Gesang eine etwas beliebige, austauschbare und gelegentlich banal-gewöhnliche Note bekommt. Insgesamt wirkt Sinatra über weite Strecken - wie Kollege Thorsten schon anmerkte - ausgesprochen hölzern.
Sinatras Einstand bei Capitol kann somit nicht als Meisterwerk bezeichnet werden - eine noch etwas ungelenke Aufwärmübung, die zwar nicht unbedingt enttäuscht - aber mehr nicht.
Obwohl der Barde selbst an Axel Stordahl festhalten wollte, war die Trennung von seinem langjährigen Arrangeur letztendlich ungemein fruchtbar, denn nur so war es möglich, dass nun mit Riddle, Jenkins und May Arrangeure auf den Plan traten, die frischen Wind brachten und den Sound in eine andere und zeitgemäßere Richtung lenkten. Dies ändert natürlich nichts an der hohen Wertschätzung, die sich Stordahl während der zehn Columbia-Jahre mehr als verdient hat - aber es war Zeit für Veränderung und die kommenden Jahre sollten nachdrücklich beweisen, das es eine Veränderung zum besseren war.
Mit Verlaub, jene Aufnahme beurteile ich etwas anders als der Kollege Schnabl. Ich konnte diesem seltsamen Billy May nachempfundenen Saxophon-Stil nie etwas abgewinnen, und gerade bei Lean Baby drängt er sich dem Hörer dermaßen in den Vordergrund, dass er für meine Begriffe zu dominant wirkt und Sinatras - sagen wir mal - durchschnittliche gesangliche Leistung wie auch den humorvollen Text quasi überlagert.
Womöglich ist es nur mein persönlicher Eindruck, aber ich finde, May selbst hat es raffinierter und weniger penetrant bzw. hölzern geschafft, diesen Effekt einzubauen. Jedoch muss ich zugestehen, dass ich mich selbst in Mays Originalarrangement eher weniger dafür erwärmen kann. Noch ein paar Worte zum Sänger selbst: diesbezüglich teile ich euren Eindruck. Die Komposition Lean Baby ist allerdings auch schon gefährlich nahe an verhassten Rock 'n' Roll-Nummern (man denke sich nur ein leicht abgewandeltes Arrangement). Frank Sinatra konnte sich vermutlich nur schwer in den Stil des Stücks hineinfinden, eventuell haben ihn genau wie mich die dominanten Saxophone genervt, so dass er in seiner Verzweiflung keine andere Möglichkeit sah, als dagegen anzuschreien. (Freilich bleibt diese Bemerkung ins Reich der Spekulationen verbannt.)
Das Material passt nicht zu Sinatra, und deshalb kann er nicht glänzen. Ich höre dieses Stück trotzdem relativ oft, weil Capitol so nett war, es als Draufgabe auf die Platte Swing Easy zu pressen - zumindest in der Ausgabe aus dem Capitol Years Box Set. Dort fügt es sich nicht sonderlich gut ein, aber ich bin meist zu faul, es zu überspringen. Außerdem rechtfertigt die Auswahl der anderen, sich hervorragend ins Konzept einfügenden Songs (I Love You, How Could You Do A Thing Like That To Me und Why Should I Cry Over You?) die Veröffentlichung eines erweiterten Albums ... wenngleich sich die Frage aufdrängt, welches Lied aus jener Schaffensperiode besser die Stelle von Lean Baby eingenommen hätte.
Be who you are and say what you feel because those who mind don't matter and those who matter don't mind.
Tatsächlich wohnt dem Lied eine gewisse Ironie inne, denn davon abgesehen, dass Sinatra nicht "tall" war, könnte er das Lied auch als Anspielung auf sich selbst gesungen haben. Einer seiner vielen Spitznamen war ja (zum Zeitpunkt der Aufnahme noch ganz zurecht) "Skinny".
Komisch, dass das noch keinem aufgefallen ist.
Thorsten Bode
Züchtige mich, Herr, - doch mit Maßen und nicht in deinem Grimm, auf daß du mich nicht aufreibst.
Schöne Idee, halte ich allerdings für etwas zu weit hergeholt. Schließlich ist in dem Lied eindeutig von einer Dame die Rede.
War Sinatra zum damaligen Zeitpunkt überhaupt verantwortlich für die Auswahl des von ihm eingesungenen Liedgutes, oder besorgte das damals noch die Plattenfirma bzw. der Produzent? Wenn ja, wann hat sich das geändert, oder hat sich F.A.S. bis zum Schluss das Material aufoktroyieren lassen?
Be who you are and say what you feel because those who mind don't matter and those who matter don't mind.
Der steht bei mir (noch) im Schrank, ganz ungelesen. Wenn überhaupt, muss ich erst meinen Giddins weiterlesen. Und was ist das für eine Antwort? Wenn du es weißt, dann sags auch, mon capitan. (sic!)
Be who you are and say what you feel because those who mind don't matter and those who matter don't mind.
Entschuldige, wollte einfach mal einen auf großer Zampano machen.
Es ist schon einige Jahre her, dass ich dieses interessante Buch gelesen habe, aber spätestens ab "In THe Wee Small Hours" hatte er wieder die komplette Kontrolle und hat davon auch ausgiebig gebrauch gemacht.
Thorsten Bode
Züchtige mich, Herr, - doch mit Maßen und nicht in deinem Grimm, auf daß du mich nicht aufreibst.
Ich habe es dir auch nicht ernstlich übel genommen, so etwas nennt man in der Fachsprache "artificial rage" oder "doing a Regis". Lediglich ein dezenter Fingerzeig.
Be who you are and say what you feel because those who mind don't matter and those who matter don't mind.
Sehr geehrte Damen und Herren Leserinnen und Leser - Sie befinden sich in einer Kommunikationseinrichtung, welche den ENTERTAINER OF THE CENTURY (mit anderen Worten SINATRA, SINATRA und nochmals SINATRA) in ersprießlicher Weise thematisiert wissen möchte. Geschätztes Publicum: Diese Einrichtung ist in der Tat so hochgradig erquickend, so ungemein gastlich, der Wohlfühlfaktor so enorm hoch, dass es kurzum nichts Geringeres denn eine wahre Lust ist, sich hierorts aufzuhalten und sich durch die mannigfaltigen Rubriken zu bewegen! Sehen Sie sich gut und in aller Ruhe um und Sie werden - darauf mein Wort - nicht umhinkommen zu sagen: "Hier ist es schön, hier will ich bleiben."
*** Wertes Publicum: FRAU CHARLOTTE ROCHE ist eine GÖTTIN - eine WAHRE GÖTTIN ***