Einen der ach zu seltenen jazzig angehauchten Exkurse legt The Voice mit obigem Song vor, der unter anderem auf der 1961 erstmals aufgelegten LP "All The Way" enthalten ist. Das Stück stammt aus der Feder von Mort Dixon und Harry Woods (wer kann mir sagen, was die beiden sonst noch komponiert haben?) und verdient eingehendere Betrachtung. Wie beurteilen Sie das Songmaterial, und was kann Francis Sinatra daraus machen? Viel Spaß damit.
Be who you are and say what you feel because those who mind don't matter and those who matter don't mind.
Ein Song, den ich - wie ich gestehen muss - beim Lesen des Erst-Eintrages von Kollege Huber gar nicht recht im Ohr hatte. Ich entsann mich nur der Tatsache, dass es sich um eine in schwungvollem Tempo gehaltene Nummer handeln müsse, für weiteres reichte meine Erinnerung nicht - somit eine Art Wiederentdeckung eines Songs.
Flugs langte ich nach den „Complete Capitol Singles“ woselbst das Lied auf CD Numero Vier zu finden ist (oben erwähnten Sampler besitze ich selbstfreilich ebenfalls, nur war es mir zu mühsam, die 21-CD-Box von Capitol aus der Vitrine zu holen und zu öffnen - die Singles Collection war geschwinder zu handhaben).
Je nun - hier erleben wir einen Sinatra der altersmäßig gerade in etwa dem entsprach, was man gemeinhin einen „Mann in seinen besten Jahren“ zu nennen pflegt. Als Interpret war er gut gereift, im Vollbesitz seiner Möglichkeiten und hatte die volle Kontrolle über seine Stimme. Ein mitreißender, ausgesprochen vitaler Vortrag, fast ist man versucht, seine Interpretation kraftstrotzend zu nennen. Ein Song, dem auch ein wenig Blues-Feeling beigemischt ist - vor allem gegen Ende gibt es ein ausgesprochen bluesiges Zwischenspiel zu hören, welches Sinatra überaus überzeugend von der Hand geht, obgleich der Blues keineswegs zu des Barden Stärken gezählt werden kann und darf.
In Summe gesehen ein Song, den man bei der Überfülle großartiger Sinatra-Titel aus diesem Zeitraum sehr leicht Gefahr läuft, zu übersehen - eigentlich auch nichts wirklich Besonderes oder gar Epochales, vielmehr ein Song, der den Hörer augenblicklich in gehobene Stimmung zu versetzen versteht, ohne dabei einen besonderen Anspruch zu erheben. Vom Songmaterial her Konfektionsware, die durch die Interpretation durch den größten Song-Interpreten seiner Zeit eine Art Erhebung in den Adels-Stand erfährt - von einem anderen Interpreten dargeboten, würde ich dem Lied vermutlich kaum besonders viel Aufmerksamkeit widmen - wie so oft ist es eben der Barde, der einen Song zu etwas erfreulichem und Hörenswertem macht.
Verehrtes Publicum: Hier haben Sinatra in einer ausgesprochen erfreulichen Periode seines Schaffens: kraftvoll, vital und unangefochten von den später einsetzenden stimmlichen Unwägbarkeiten und Unzukömmlichkeiten, welche das meiste aus den Jahren nach 1970 so überaus unerquicklich erscheinen lassen.
Das hat Nelson Riddle wieder einmal meisterhaft arrangiert.
Blues ist das eine, aber gerade in diesem Song bricht der leibhaftige Jazzer in Sinatra durch. Damit meine ich die textliche, melodische und rhythmische Variation insbesondere im zweiten Durchgang. Das Melodische müssen Sie sich selbst anhören, es in Worten wiederzugeben wäre zu viel des Guten.
Zu den anderen Merkmalen, achten Sie auf die Stellen "and you can have that phone" bzw. kurz vor Schluss "Stay away, get away, roll away, stay away, you dirty ole muddy river you". Exkurse wie dieser Song belegen, dass Sinatra, wenn er nicht so ein Ausnahmetalent, Balladeur und Big Band Singer gewesen wäre, einen guten Jazz-Sänger abgegeben hätte. Ich kann nur einmal mehr bedauern, dass derartige Ausflüge so selten im umfangreichen Repertoire vorhanden sind.
Außerdem möchte ich Holgers Gedanken fortführen, dass er ein Stück wie dieses zunächst gar nicht auf der Rechnung hatte. Ist es nicht schade, dass aufgrund der großen Masse Top-Leistungen von Sinatra zwischen 1945 und 1965 vortreffliche Aufnahmen wie River, Stay 'Way From My Door nicht die Anerkennung bekommen, die sie verdienen? Das muss schließlich erst einmal jemand nachmachen. Stattdessen streitet man sich gerne darüber, ob die x-te aus den Archiven gekramte Erstveröffentlichung eines ausgemusterten Stückes aus den 80ern nicht doch einen Hauch besser war als ein Konzert aus derselben Ära. Beide sähen im Vergleich zu dieser Nummer erstaunlich blass aus.
Meine verehrten treuen Leser, lernen sie die unterschätzten Gemmen aus dem Füllhorn eines Francis Sinatra in seinen besten Jahren neu kennen. Beschäftigen Sie sich mit Liedern wie diesem, und diskutieren Sie rege.
Be who you are and say what you feel because those who mind don't matter and those who matter don't mind.
Ich komme kaum umhin, dem Kollegen Recht zu geben - Aufnahmen wie diese lassen ein gewisses Jazz-Potential des Barden erkennen. Da - wie wir wissen - leider zu wenige Aufnahmen dieser Art im Katalog des Barden zu finden sind, ist es schwer zu sagen, wie weit es der Sänger mit reinem Jazz gebracht hätte. Möglicherweise wäre er - hätte er ernstliche Ambitionen in diese Richtung gehabt - ein (wie der Kollege erwähnt) guter Jazz-Sänger geworden.
Hier liegt, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch gleich der springende Hund begraben: in diesem einen Wörtchen! Als guter Jazz-Sänger (der er vielleicht hätte werden können) wäre er einer von Vielen gewesen, als der Sänger, der er tatsächlich war (und zwar mit Sicherheit kein Jazz-Sänger) brachte er es jedoch immerhin zur Legende. Seine Stimme war insbesonders für streicheruntermalte Balladen wie geschaffen, der Barde wäre ein hausgemachter Narr gewesen, hätte er sich nicht vor allem auf diese hervorstechendste Facette seines Talents konzentriert. Seine Swing-Aufnahmen sind selbsredend ebenfalls bemerkenswert, aber seine wahren Stärken und Ausdrucksmöglichkeiten fand er in Balladen - Siehe dazu, wenn ich Sie freundlicherweise daran erinnern darf, unser „Sinatra-Thema des Jahres 2010“ welches leider bislang viel zu wenig, um nicht zu sagen: gar nicht wahrgenommen wurde.
Dass viele ersprießliche Titel, die Sinatra zu seiner Blütezeit aufgenommen hat, allein durch die Masse noch hervorragenderer Aufnahmen in ein unverdientes Schattendasein gerückt werden, ist in der Tat in sehr vielen Fällen höchst bedauerlich - sehr viel ergiebiger ist es in der Tat, diesen Titeln zu lauschen anstatt darauf zu achten ob der alte Sinatra in der hundertneunundzwanzigsten Live-Aufnahme von New York, New York wieder einmal den Schlußteil vergeigt. Auch hierin stimme ich den oben getroffenen Aussagen meines Kollegen F.X. vollinhaltlich zu.
Dass zumal in den deutschsprachigen Sinatra-Fan-Kreisen das Augenmerk so unverhältnismäßig auf die letzten zwanzig und wahrlich wenig ruhmreichen Karriere-Jahre des Barden fokussiert ist, habe ich nie verstehen können und dieser immerhin vielleicht vom psychologischen Standpunkt aus bemerkenswerte (wenn auch unverständliche) Umstand wird mir auch künftig ein Raetsel bleiben. Auch bei den amerikanischen Freunden finden wir einen ausgeprägten Hang zum Spaeth-Werk des Barden, doch wird dieser durch das ausgewogenere Vorhandensein von Anhängern des frühen und mittleren Sinatra etwas ausgeglichen - während im deutschsprachigen Raume diesbezüglich - wie wir gesehen haben - leider völlig verzerrte Verhältnisse vorherrschen.
Bei allem Respekt, aber auch DU, lieber Holger, scheinst einen "ausgeprägten Hang zum Spaeth-Werk des Barden" zu haben. Einen negativen Hang zwar, aber ein Unterschied ist das letztendlich nicht. Kaum ein Sachposting, in dem diese Zeit nicht als Vergleichsmerkmal herangezogen wird. Sogar das letzte Posting (so gut die erste Hälfte auch war) handelte zu einem Drittel von des Barden Spätwerk.
Thorsten Bode
Züchtige mich, Herr, - doch mit Maßen und nicht in deinem Grimm, auf daß du mich nicht aufreibst.
Zitat ... der Barde wäre ein hausgemachter Narr gewesen, hätte er sich nicht vor allem auf diese hervorstechendste Facette seines Talents konzentriert.
Meine Rede. Genauso wie Justin Timberlake ein guter Comedian geworden wäre, wenn er nicht million seller Sänger wäre. Allein, sein Gesang interessiert mich nicht. Aber zurück zum Thema, ein Mann mit so einer Stimme und vielseitigen Ausdruckskraft wie Sinatra kann sich selbstverständlich nicht allein auf den Jazz versteifen.
Dennoch sollte der Einwand mit dem guten Jazz-Sänger (ganz bewusst nicht "herausragend") mein Bedauern zum Ausdruck bringen, dass er das, was er gut beherrschte nicht zumindest gelegentlich in reinerer Form getan hat. Gerade im Lichte der oftmals (nicht in jedem Fall) unnötigen Wiederholungsaufnahmen zahlreicher Stücke verwundert die mangelnde Bereitschaft zur Vielseitigkeit. Ich darf einmal mehr die Brücke zu Bing Crosby schlagen - wenn Sie jetzt leise aufseufzen: es liegt daran, dass beide gesangliche Legenden des 20. Jahrhunderts waren - der häufiger teils durchaus exotische Exkurse auf sich genommen hat.
Und Thorsten, es scheint fast so, als könntest du Recht haben ... mir wäre es nicht gleich selbst ins Auge gefallen, aber Holger, du sprichst auffallend oft von der Spätphase. Eigentlich beinahe schon zu oft, zumindest für meinen Geschmack. Nachdem wir uns einig sind, dass diese Phase nicht so besonders gelungen ist, warum verfällst du dem beinahe manischen Bedürfnis, diese Aussage in nahezu jedem deiner Beiträge teils doch überaus raumgreifend einzubauen?
Be who you are and say what you feel because those who mind don't matter and those who matter don't mind.
Sehr verehrtes Publicum: Mir war oben darum zu thun, mein Unverständnis über die tendezielle - nein gar tatsächliche - Bevorzugung des Alterswerks, wie sie vor allem und gerade unter deutschsprachigen Fan-Kreisen üblich ist, auszudrücken.
Die Veröffentlichung eines Reprise-Samplers mit einer verunglückten, tontechnisch etwas aufgehübschten Body-And-Soul-Version schlägt riesige Wellen, während etwa die Veröffentlichung eines Capitol-Samplers - wiewohl ebenfalls mit tontechnisch aufgedonnertem Bonus-Track aus einer TV-Show versehen - ein ungleich geringeres Echo hervorruft - ich denke, Sie verstehen nun, was ich meine.
Der allerorts betriebenen unverhältnismäßigen Bevorzugung der eigentlich unerquicklichsten Phase in der Karriere des Barden muss sich jemand entgegenstemmen, es bedarf einer Instanz, welche die Dinge in ihr angestammtes, rechtes Licht rückt. Dies zu thun, ist mir eine geradezu moralische Pflicht und dient dem Schutz des Angedenkens dem Entertainer Of The Century gegenueber - Vor diesem Hintergrund ist es selbstverständlich unumgänglich, dass ich gelegentlich auf die eklatanten Schwächen des Alterswerkes hinweise, bevor möglicherweise unbedarfte Neulinge, welche nicht über unsere reiche Hörerfahrung verfügen, falschen Predigern auf den Leim kriechen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren: Niemandem wäre es lieber als mir, würde sich das allgemeine Interesse auf die Jahre bis 1970 fokussieren - es würde mich der oben erwähnten mühevollen, ja oftmals geradezu bedrückenden Aufgabe entheben.
Sehr geehrte Damen und Herren Leserinnen und Leser - Sie befinden sich in einer Kommunikationseinrichtung, welche den ENTERTAINER OF THE CENTURY (mit anderen Worten SINATRA, SINATRA und nochmals SINATRA) in ersprießlicher Weise thematisiert wissen möchte. Geschätztes Publicum: Diese Einrichtung ist in der Tat so hochgradig erquickend, so ungemein gastlich, der Wohlfühlfaktor so enorm hoch, dass es kurzum nichts Geringeres denn eine wahre Lust ist, sich hierorts aufzuhalten und sich durch die mannigfaltigen Rubriken zu bewegen! Sehen Sie sich gut und in aller Ruhe um und Sie werden - darauf mein Wort - nicht umhinkommen zu sagen: "Hier ist es schön, hier will ich bleiben."
*** Wertes Publicum: FRAU CHARLOTTE ROCHE ist eine GÖTTIN - eine WAHRE GÖTTIN ***