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Dieses Thema hat 2 Antworten
und wurde 406 mal aufgerufen
 SINATRA - DIE SONGS
Holger Schnabl
Prinzipal & Melancholiker


Beiträge: 1.635

07.11.2005 23:27
Sweet Lorraine Zitat · Antworten

Guten Tag!

Unserer neuestes Thema führt uns wieder einmal einige Jahrzehnte zurück – zunächst mitten hinein in die ruhmreiche Columbia-Phase. Die Nummer, mit welcher wir uns nunmehr befassen werden, beweist, dass Sinatra, der in dieser Zeit eher für seine romantisch gefärbten Balladen-Einspielungen berühmt war, auch auf einem ganz anderen Gebiet durchaus sattelfest war: Sweet Lorraine.

Diese am 17. Dezember 1946 in New York aufgenommene Nummer zeigt Sinatra einmal nicht in der gewohnten streicher-dominierten musikalischen Umgebung, sondern als Sänger einer reinrassigen Jazz-Band. Das Arrangement der Aufnahme besorgte diesmal nicht Axel Stordahl, sondern Sy Oliver, welcher bereits für die Tommy Dorsey Band als Arrangeur tätig war. Die Begleitband besteht aus lauter hochkarätigen Jazz-Musikern, deren Namen Ihnen, wertes Publikum, falls Sie auch dem Jazz zugeneigt sind, selbstverständlich wohlbekannt sein dürften. Unter dem Namen Metronome All Stars versammelten sich seinerzeit folgende Musiker:

Piano: Nat King Cole
Gitarre: Bob Ahern
Bass: Eddie Safransky
Schlagzeug: Buddy Rich
Trompete: Charlie Shavers
Posaune: Lawrence Brown
Altsaxofon: Johnny Hodges
Tenorsaxofon: Coleman Hawkins
Baritonsaxofon: Harry Carney


Buddy Rich und Charlie Shavers waren übrigens auch zur Zeit, in der Sinatra bei Tommy Dorsey sang, im Orchester vertreten. Coleman Hawkins gehört zu den einflussreichsten und bekanntesten Jazz-Saxofonisten überhaupt (siehe das Portrait auf meiner Jazz-Seite, die sie über die Hauptseite meiner HP erreichen können) und über die Ellington-Musikanten Johnny Hodges und Harry Carney muss nichts weiter gesagt werden – sie zählten zu den stilbildenden Musikern ihres Faches.

Die Nummer, die auch von Nat King Cole zu einem großen Erfolg gebracht wurde, wurde 1928 von Mitchell Parish und Cliff Burwell komponiert und zählt seit Jahrzehnten zu den bekanntesten Jazz-Standards. Die Sinatra-Version von 1946 wurde im darauffolgenden Jahr als Single veröffentlicht, heutzutage finden Sie die Aufnahme in der 12-CD-Box „The Columbia Years 1943-1952 The Complete Recordings“ sowie auf dem 4-CD-Set „The Best Of The Columbia Years“. Ein Alternate Take der Nummer wurde seinerzeit auf zwei verschiedenen Columbia-Samplern auf LP veröffentlicht.

Drei Jahrzehnte später kehrte Sinatra anlässlich seines geplanten „Ladies-Album“ zu dem Song zurück und nahm ihn am 14. März 1977 in Los Angeles erneut auf. Das Arrangement dieser Version stammt von niemand anderem als Nelson Riddle. Das Album-Projekt wurde seinerzeit abgebrochen und die Aufnahme verschwand im Archiv. Erst 1990 wurde sie auf dem 4-CD-Set „The Reprise Collection“ veröffentlicht. Sie finden diese Version selbstverständlich auch in der kolossalen 20-CD-Edition „The Complete Reprise Studio Recordings“.

Auf unauthorisierten Veröffentlichungen (s.g. Bootlegs) sowie auf Billig-Samplern dürften noch weitere Live- bzw. auch Radio-Versionen der Nummer aus der Frühzeit von Sinatras Karriere zirkulieren. Sollten Ihnen außer den von mir gelisteten noch weitere offizielle Aufnahmen, die auch auf käuflich zu erwerbenden Tonträgern erschienen sind, bekannt sein, ersuche ich Sie dieselben in Ihrem Beitrag nachzutragen.

Je nun, ein weiteres und wie ich annehme, höchst ersprießliches weil äußerst ergiebiges Thema wäre damit eröffnet und Sie wissen ja: je größer die Beteiligung Ihrerseits, desto intensiver der sich ergebende Diskussionsverlauf.

Hier noch der Text des Songs:

I just found joy
I'm as happy as a baby boy
With another brand-new choo-choo toy
When I'm with my sweet Lorraine

She got a pair of eyes
That are bluer than the summer skies
When you see them you will realize
Why I love my sweet Lorraine

When it's rainin' I don't miss the sun
'cause it's in my sweetie's smile
Just to think that I'm the lucky one
Who will lead her down the aisle

Each night I pray
That nobody steals her heart away
I can't wait until that happy day
When I marry sweet Lorraine

When it's rainin' I never miss the sun
'cause it's in my sweetie's smile
Just to think that I'm the lucky one
Who's gonna lead her down the aisle

Every night I pray
That nobody steals her heart away
I can't wait until that lucky day
When I marry Lorraine

Allen noch einen gemütlichen Abend
H.S.

Sinatra - Entertainer Of The Century
http://www.geocities.com/allthewaysinatra
“...die Diskussion geht weiter!...wo wenn nicht hier, wann wenn nicht jetzt?“

T.Bode
Verschollener


Beiträge: 836

08.11.2005 15:45
#2 RE: Sweet Lorraine Zitat · Antworten

Ein wunderbarer Song den ich (wohlgemerkt in der Columbia-Version) aufs äußerste schätze.
Selten hat man den Sinatra der 40er Jahre so ausgelassen interpretieren hören, wie bei dieser Nummer.
Wie wir wissen, waren die Studioaufnahmen Sinatras stets für den kontrollierten, möglichst perfekten Gesang bekannt, hier scheint mir eher das Gegenteil der Fall zu sein, was dem Jazz-Charakter der Aufnahme eindeutig zu Gute kommt.
Das ebenfalls ausgelassene Spiel dieser einmaligen Band ist ebenfalls ganz atemberaubend und so liefern sie uns in Einheit mit Sinatras Gesang eines der Highlight der Columbia-Zeit.

Die Reprise-Version war für mich stets ein kurioses Etwas.
Bekommt man mit der Columbia-Aufnahme einen jungen Mann zu hören (Und zu einem solchen passt auch der Text) hören wir hier einen alten Mann mit (vorübergehend) verwüsteter, alter Stimme (wie wir wissen sollte sich die stimmliche Verfassung Sinatra bis Trilogy wieder in einem beachtlichen Maße bessern).
Also die Stimme ist wirklich in furchtbarem Zustand, unbeweglich, alt.
Auch das Arrangement, das sicher nicht schlecht ist, kommt in wirklich keiner Weise an das der Originalaufnahme heran.

Hört man beide Versionen hintereinander, ist man ob dieses unbeschreiblichen Qualitätsunterschiedes ganz erstaunt, mit Worten ist der Unterschied eingentlich kaum zu erfassen.

Holger Schnabl
Prinzipal & Melancholiker


Beiträge: 1.635

09.11.2005 13:58
#3 RE: Sweet Lorraine Zitat · Antworten

Guten Tag!

Die Columbia-Version sticht in der Tat aus dem Schaffen dieser Periode heraus. Zunächst aus dem einfachen Grund, dass es in Summe aus dieser Phase von Sinatras Karriere verhältniswenig wenige jazzige, swingende Stücke gibt. Womöglich musste die Plattenfirma Sinatra damals diese Uptempo-Aufnahmen geradewegs abtrotzen, denn er selber war in dieser Zeit bekanntlich regelrecht versessen auf Streicher-Begleitung. Des weiteren ist das Line-Up der Besetzung in dieser Nummer fantastisch, die oben angeführten Namen sprechen für sich.

Sinatra selbst ist in der Columbia-Version überzeugend, wenngleich seine Swinger-Qualitäten sich in den nächsten Jahren noch stark verbessern sollten. Sinatra klingt in der Frühversion noch etwas unsicher – eigentlich kein Wunder: Die versammelten Jazz-Größen hätten die Selbstsicherheit manch anderen tapferen Mannes wankend machen können. Eine Neu-Einspielung für ein Album der 50er- oder auch Früh-60er Jahre mit einem dann völlig selbstsicheren und „erwachsenerem“ Sinatra wäre daher bestimmt nicht uninteressant gewesen. Leider hat er dieses versäumt, statt dessen sich dem Song erst Jahrzehnte später erneut gewidmet – dann allerdings mit verheerendem, niederschmetterndem, ja katastrofalen Ergebnis.

Die Spät-Fassung ist zumindest von Sinatras Seite aus völlig verunglückt – angesichts des desolaten, völlig inakzeptablen Zustandes seiner Stimme möchte man geradewegs annehmen, der Barde habe Stacheldraht gefrühstückt und mit Salzsäure nachgespült. Sinatra versetzte mit so kläglichen, ja jämmerlichen Aufnahmen in der Zielgeraden seiner Karriere der eigenen Legende so gewaltige Stöße, dass sie in der Tat entscheidend ins Wanken kam.

Das neue Arrangement von Nelson Riddle halte ich dagegen für sehr gut, eigentlich viel zu gut für einen ausgemusterten Sänger, der stimmlich gerade völlig zerschmettert darniederlag.


Allen noch einen gemütlichen Abend
H.S.

Sinatra - Entertainer Of The Century
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