EOTC proudly presents
Von den Machern von "This Is All I Ask" und "San Fernando Valley":
Frank Sinatra in
Die lange Gordon Jenkins-Nacht
Erleben Sie die bewegendsten und unvergessenen Meisterwerke des bedeutendsten Arrangeurs aller Zeiten in nie zuvor dagewesener Qualität. Lassen Sie sich verzaubern von großen Gefühlen in Klassikern wie "No One Cares" und "She Shot Me Down". Werden Sie Zeuge der dramatischsten Liebesgeschichte seit "Sissi".
Humor: 0
Action: 1
Erotik: 0
Spannung: 4
Musik: 3
Anspruch: 5
"Die größte Kunst." (Thorsten Bode)
"Perfekt." (Holger Schnabl)
GEHEIMTIPP:
"Ambitioniertes Projekt, in diesem Umfang etwas langatmig. Für Fans unverzichtbar."
Am 22. und 23. Februar auf Ihrem Plattenspieler.
Nach diesen vielversprechenden Ankündigungen und in Anbetracht der Tatsache, dass an einem freien Abend wie heute nichts Besseres zu tun ist, werde ich mir die Sache tatsächlich ungekürzt antun. Schließlich sollten die betreffenden Alben ohnehin wieder einmal entstaubt und ausgelüftet werden. Außerdem dürfte dann mein schlechtes Gewissen bezüglich Vernachlässigung hoffentlich für zumindest die nächsten paar Jahre beruhigt sein. Seien wir gespannt, welche Resultate bei diesem gewagten, ja geradezu halsbrecherischen Experiment zu Tage treten werden.
20:00 Uhr – Where Are You?
So starten wir gutgelaunt in dieses Mammut-Projekt. Mal sehen, wie lange die gute Laune anhält (drückt mir die Daumen, dass ich es überlebe).
Gleich zu Anfang eine kleine positive Überraschung: Where Are You erweist sich ganz wider Erwarten als gar nicht so düstere, halbwegs eingängige kleine Ballade. Der Einstieg scheint einigermaßen massentauglich.
Für uns Sinatra-Fans wird es nur eine einzig wahre Version von The Night We Called It A Day geben, der Jenkins freilich nicht das Wasser reichen kann. Aber es erleichtert die Konzentration, bekannte Melodien zu hören. Für sich betrachtet ein eher unnötiges Remake, im Album-Kontext eine angenehme nostalgische Auflockerung.
I Cover The Waterfront hingegen hinterlässt keinen bleibenden Eindruck, aber das ist wohl immer noch besser als "schwülstig" oder "kitschig".
Eher "geschäftsmäßig" handelt Sinatra Maybe You'll Be There ab. In diesen Jahren hat er wohl noch nicht ganz die erfahrungsbedingte (altersbedingte?) Trauer in der Stimme. Für mich wenig überzeugend.
Auf zum Nächsten: Laura ist mit seinem abwechslungsreichen, kunstvollen Arrangement ein Punkt für Jenkins. Vielen Dank für den Verzicht auf Blumigkeit. Sinatra wieder eher blass, trotz einwandfreier wiedergabe der Melodie.
Schöne Idee, mit New York, New York in Lonely Town einzusteigen, aber der Gag müsste nicht durch melodische Wiederholung abgenutzt werden. Endlich mal geht Frank ansatzweise ins Emotionale.
Der nächste Titel kommt mit einem bombastischen Intro. Um so überraschender offenbart der Blick auf das Inlay: es handelt sich um Autumn Leaves. Ich muss ehrlich sagen, dass ich es beim erstmaligen Hören nicht erkannt hätte. Sicher, der Text unterstützt ein melancholisches Arrangement, aber deswegen muss es mir noch lange nicht gefallen. Diesen Standard sehe ich ungern so "verwandelt" (entstellt). Das haben andere mit dezentem Schwung schon besser gemacht.
I'm A Fool To Want You trägt Sinatra stellenweise sehr kraftvoll, fast arienhaft vor. In den übrigen Passagen singt er sich brav mit der schon erwähnten Farblosigkeit durch den sicher nicht ganz einfachen Song. Wo ist die vielgerühmte Verletzlichkeit im Ausdruck?
I Think Of You ... Heißt es nicht, dass Sinatra viele seiner Balladen perfekt in nur einem Take geschafft haben soll? So klingt es leider auch hier, als habe er sich nicht sehr ausgiebig damit beschäftigt, Ausdruck hineinzulegen. Gesanglich nichtsdestoweniger perfekt.
Während wir in stilistischer Einheit zu Where Is The One übergehen (erste Runde fast geschafft), ein paar Worte zu Jenkins, denn um seine Rolle sollte es schließlich in diesem Thema gehen. Abgesehen von ein paar Horn-Einwürfen bzw. Intros tritt er in Where Are You nicht sonderlich in Erscheinung. Gerade bei anspruchsvolleren Balladen-Alben begibt sich der Hörer notwendigerweise auf eine eher meditative Zuhör-Ebene. Und so wirkt Jenkins durch die unauffälligen Streicherarrangements, als wäre er gar nicht da. Der Sänger lässt ihn verschwinden, vollkommen in seinen Schatten treten. Was bleibt, ist nur der Eindruck von Sinatra.
Ever onward: Mit There's No You stellt sich wiederum angenehm auflockernde Nostalgie ein. Für meinen Geschmack etwas zu farblos / schwerfällig.
Erst im letzten Track, Baby, Won't You Please Come Home, bekommt man ein bisschen Bleibendes von Jenkins mit, in Gestalt von aufgrund ihrer Höhe aufdringlichen Streichern, als würde man auf den letzten Metern doch noch krampfhaft versuchen, nicht gegen Sinatra unterzugehen. Auch die Auswahl des Songs wirkt unglücklich, etwas seicht, fast albern im Text.
20:41 Uhr - No One Cares
Der erste Song, When No One Cares, gibt Anlass zu Hoffnung. Mit fortgeschrittenem Alter scheint Sinatras Interpretationsfähigkeit ins Traurige gestiegen zu sein. Auch Jenkins beschränkt sich nicht mehr ausschließlich auf Streicher.
In A Cottage For Sale offenbaren sich bereits verschiedene interpretatorische Nuancen von Melancholie, die über verminderte Lautstärke hinausgehen. Gordon, danke für die Holzbläser, eine willkommene Bereicherung.
In Stormy Weather überrascht Jenkins mit Schlagzeug-"Beat". Sinatra versucht wohl, besonders "weary" zu klingen, indem er kraftvolle Interpretation mit Tremolo als Indikator für Schwäche verbindet. Keine mustergültige Version des Titels, wohl eher unter extravagant einzuordnen. Netter Versuch.
Where Do You Go zeigt ein Highlight-Arrangement von Jenkins, der beweist, dass er auch abwechslungsreich kann (Harfen, Bläser, Bass) und sich nicht durch Aufdringlichkeit in den Vordergrund spielen muss.
Wieder eine Ballade "mit Beat". Crosbys Klassiker I Don't Stand A Ghost Of A Chance With You in einer würdigen Interpretation. Trotz der neugewonnenen Tiefe ein seltener Ausflug in die Eingängigkeit. Sinatras wohl beste Version dieses Titels, maßgeblich beeinflusst durch Jenkins' Kunst (geht doch!).
Here's That Rainy Day überrascht ebenso angenehm durch ein recht ansprechendes Arrangement und glaubwürdiger Interpretation des Meisters ... gigantischer letzter Vers.
I Can't Get Started ist mit seinen dezenten Piano-Einlagen (Klavier bei Jenkins? Hört, hört!) schon fast ein lässiger Saloon-Song. Hebt sich angenehm vom "Einheitsbrei" (= jeder Song für sich nicht verachtenswert, aber für ein Album in gehäufter Form recht eintönig) ab.
Mit besonderer Spannung erwartet: die Neuauflage von Sinatras letztem Columbia-Song Why Try To Change Me Now? Um es kurz zu machen, das Original spricht mich mehr an, vor allem das sehr langsame Tempo der Coverversion wirkt witzlos. War es einder der Musiker oder gar Sinatra selbst, der es wagte, quasi als Zeichen der Rührung kurz nach 2:40 kräftig "hochzuziehen"? Unverschämtheit!
Just Friends verdankt seine Hörbarkeit wieder dem dezent eingesetzten Bar-Piano. Ansonsten hat dieser Song kaum etwas Besonderes, Jenkins abwechslungsreiches Arrangement ist allenfalls noch generell herauszuheben.
Außerdem wartet I'll Never Smile Again, der ganz große Klassiker aus der Dorsey-Ära. Das verspricht interessant zu werden. Jenkins verfällt wiederum in die bereits bekannte Zurückhaltung und macht Platz für Frankie, der eine veritable Leistung abliefert. Es scheint, als habe ihm dieser Song im Gegensatz zu manch anderer Ballade am Herzen gelegen. Wer allerdings den Chor und das Glockenspiel im Ohr hat, wird auf die Jenkins-Version nur als Notlösung zurückgreifen wollen.
Der nächste Klassiker: Tchaikovskys None But The Lonely Heart. Aufgrund der gewachsenen Interpretationsfähigkeit Sinatras würde ich der Neuversion den Vorzug gegenüber der Columbia-Aufnahme geben. Man muss Klassik schließlich nicht immer gnadenlos hinschmettern, gerade wenn es um Einsamkeit geht.
Dann war da noch der Bonustrack, der eigentlich keiner war. Und da ist es auch wieder, das Bar-Piano. In Kombination mit dem Schlagzeug und dem Bass sehr angenehm zu hören, durchbricht etwas den Charakter des übrigen Albums. Die Entscheidung zwischen diesem Arrangement und der I Remember Tommy-Version von The One I Love Belongs To Somebody Else fällt sehr schwer und wird im Einzelfall stimmungsabhängig getroffen.
21:25 Uhr - All Alone
Das einzige Album der Sinatra-Jenkins-Kooperation, das bisher regelmäßig von mir aufgelegt wurde. Ob die Berlin-Schlager oder der langsame Walzer an sich daran schuld sind, lasse ich dahingestellt.
All Alone bildet einen simplen, eingängigen, schönen Auftakt. Ein Song, den man gerne auch außerhalb des Albumkontexts hört.
The Girl Next Door, wiederum ein (weniger simpler) Klassiker. Die Version aus All Alone wird von mir bevorzugt, sie ist einfach relaxter und nicht so sehr auf Stimme getrimmt wie die Capitol-Version.
Sinatra schafft es bei Are You Lonesome Tonight, durch hingebungsvollen Ausdruck in Kombination mit dem absolut runden, vielschichtigen Jenkins-Arrangement fast überhaupt nicht an Elvis denken zu lassen. Umso mehr, wenn man die Aufnahme im Kontext des gesamten Albums betrachtet und als Hörer bereits einige Tracks lang nicht einmal ansatzweise mit Pop beschäftigt ist.
Charmaine kennen Leute meiner Generation seit allerfrühester Kindheit als ewigen Soundtrack zum Silvester-Klassiker "Dinner For One". So hat sich die Melodie relativ früh in unser aller Bewusstsein regelrecht eingebrannt, quasi als Inbegriff des English Waltz. Ich scheue mich nicht, Jenkins' Arrangement als "besonders wertvoll" zu titulieren. Man fühlt sich unweigerlich zurückversetzt in die Zeiten der großen Ballsaal-Tanzorchester.
What'll I Do setzt den Gesamteindruck fort. Jenkins' Arrangement scheint seit Where Are You? voller, abwechslungsreicher, interessanter geworden zu sein. Zum einen hört man nihct mehr nur Streicher, zum zweiten sind selbst sie angenehmer geworden, durch volleren Klang, durch Wechsel zwischen Solo- und Satzbegleitung und durch vielschichtigere melodische Figuren.
When I Lost You bietet ein besonders gutes Beispiel für abwechslungsreiche Streicherarrangements, ansonsten keine überragende Nummer.
Oh, How I Miss You Tonight zeigt anschaulich wie schon Are You Lonesome Tonight?, dass man auch ganz simplen Melodien mit entsprechendem Ausdruck und Arrangement zu nie geahnter Tiefe verhelfen kann.
Das wohl subtilste Stück des Albums All Alone findet sich in Indiscreet. Sein hervorragender Text wird durch eine ungewöhnliche Melodie unterstützt (ein bisschen wie "Witchcraft", ein wenig von "That Old Black Magic"). Und wo bleibt Jenkins' Rolle? Sie beschränkt sich in diesem Fall auf Untermalung, aber ich denke, das geht in Ordnung.
Mit Remember verbleiben wir einen Moment lang auf der anspruchsvolleren Seite von All Alone. Die Figuren in Jenkins' Arrangement erinnern stilistisch an das noch anspruchsvollere Projekt No One Cares.
Classics Reloaded: Together. Diesmal im Dreivierteltakt. So wird dem Song sicherlich ein Mehr an Tiefe entlockt als in der Vorgängerversion. Ein direkter Vergleich ist unbedingt anzuraten. Damit werden Sinatras Gründe für den Weggang von Columbia und auch sein Wunsch nach mehr künstlerischer Freiheit, der in Reprise enden sollte, besser verständlich.
Ein kleiner Höhepunkt des Albums, der Abschlusstitel The Song Is Ended. Besonders reizvoll durch die chromatischen Elemente in der Nebenmelodie des Arrangements, nicht zu vergessen der Geniestreich mit der Sporanistin gegen Ende. Meiner Meinung nach das Beste, was Jenkins je für Sinatra getan hat.
Warum Come Waltz With Me nicht in das Album aufgenommen werden sollte, ist absolut rätselhaft. Durch sein Temperament durchbricht es ein wenig die Einheit der Zusammenstellung, aber gerade als hinführende Einleitung hätte es sich sehr gut geeignet. Jenkins orientiert sich unüberhörbar am klassischen Wiener Walzer, die Melodie spielt mit Trugschlüssen in die Moll-Harmonik. War das wirklich zu eingängig für All Alone?
22:06 Uhr - Zeit für eine Pause
22:30 Uhr - September Of My Years
Frischen Mutes in die zweite Halbzeit. Der Titelsong wirkt ein bisschen wie "My Way" ohne Pathos und übertriebene Dramatik - eher eine Light-Version. Nicht wirklich etwas Besonderes? (Wenn das nicht besser wird ...)
How Old Am I? ... na bitte, geht doch. Sehr angenehm ist Sinatras Balladenstimme in diesem Lebensabschnitt, noch ohne spätere Schwächen und in den Tiefen besonders samtig. Das Arrangement mit seinen Streichern (viel weniger schrill als zu Capitol-Zeiten), Holzbläsern und Rhythmusgitarre wirkt absolut "vollmundig" (das scheint mir das treffendste Wort). Man macht sich darauf gefasst, in diesem Album das Beste des reifen Sinatra zu erleben.
Der starke Eindruck, Jenkins' Fähigkeiten haben sich enorm gesteigert, zieht sich auch durch Don't Wait Too Long. Er zeigt sich zunehmend von einer volleren, farbigeren Seite als je zuvor. Alle Songs in diesem Album profitieren neben den ausgereiften Arrangements von Sinatras ausgereifter Stimme. Damit meine ich weniger etwaige gesteigerte Interpretationsfähigkeit, sondern eine neue Klangfarbe, wobei er noch vollkommen Herr seiner Töne ist.
It Gets Lonely Early und This Is All I Ask fordern den Sänger vor allem in technischer Hinsicht. Ein paar Jahre später hätte er das sicherlich nicht mehr gekonnt. Ein Glücksfall.
Wer Jenkins' neue Fähigkeit zu orchestralem Arrangement bewundern will, kommt unter keinen Umständen an Last Night When We Were Young vorbei. Gordon zieht alle Register. So hätte das wohl kaum ein anderer fertig gebracht.
Ganz besonders auflockernd und fast schon leichtmütig: The Man In The Looking Glass, die Schilderung eines abgeklärten Mannes, der sein Leben gelebt und seinen Frieden mit der Welt gemacht hat. Jenkins wieder in seiner Domäne, dem langsamen Walzer, taking it easy. Das steht ihm.
Jeder, der sich mit Sinatra beschäftigt, stößt relativ früh auf It Was A Very Good Year. Ein Stück wie dieses ist absolut nichts wert ohne ein gutes Arrangement. Den Erfolg haben wir Jenkins zu verdanken. Für mich persönlich nicht unbedingt ein Knüller, aber Millionen widersprechen mir - wieder ein Punkt für Jenkins.
Noch ein englischer Walzer gefällig? When The Wind Was Green setzt die liebgewonnene Tradition fort. Mehr und mehr gelange ich zu der Erkenntnis, dass der spätere Jenkins der Sechziger gar nicht so schlecht gewesen sein kann. Habe ich ihn verkannt oder war das nur ein kurzer Lichtblick in seinem Schaffen? Schnell weiter ...
Wir bleiben in 3/4: Hello, Young Lovers. Der September-Sinatra kann diese Aussage selbstverständlich viel glaubwürdiger transportieren als in jungen Capitol-Jahren. Mehr Holz von Jenkins, das macht viel besser. Großartig.
I See It Now gibt Sinatra die Gelegenheit, in die Tiefen zu gehen und die markante Wärme seiner Stimme dort auszuspielen. Jenkins ist nicht so viel weniger blumig als früher. Also war wohl nicht die Blumigkeit schuld daran, dass er wenig Anklang bei mir fand. Nur jetzt klingt es viel weniger eintönig.
Während Once Upon A Time läuft, überlege ich immer noch, welche weiteren Faktoren den neuen Gordon so viel interessanter gemacht haben. Es scheint, als würde er jetzt nicht mehr gänzlich auf Beat verzichten. Kontinuierliches Rubato macht natürlich das Zuhören ziemlich anstrengend. Danke für das durchgehende tempogebende Schlagzeug.
September Song - das Highlight zum Schluss. Hier gilt bezüglich Glaubwürdigkeit das selbe, was ich schon zu Hello, Young Lovers geschrieben habe. Zusammen mit dem wirklich genialen Arrangement ist diese definitive Version mehr als nur Abrundung. Man kommt ins Schwärmen beim Hören.
23:15 Uhr - Ol' Blue Eyes Is Back
Ein harter Einschnitt, als wir uns plötzlich und unerwartet in der Post-Retirement-Phase wiederfinden. Jegliche Schwärmerei ist mit einem Schlag dahin. Ein viel pessimistischerer Sinatra begegnet uns mit dunkler Stimme in You Will Be My Music. Jenkins indessen hat nichts verlernt. Sogar der zarte Einsatz von E-Gitarren fügt sich nahtlos in das orchestrale Arrangement. Für die Pop-Auswahl kann Gordon nichts, der Beat musste deshalb wohl songbedingt sein.
Nach dem Einleitungssong wird es nun merklich seichter. You're So Right kann selbst durch ein gutes Arrangement nicht zu etwas Besonderem werden. Sehr traurig: Jetzt, da Jenkins augenscheinlich die Fähigkeiten hätte, überzeugend in die Tiefe zu arrangieren, kann er diese ob einer flachen Programmauswahl nicht mehr ausleben. Ich beginne zu ahnen, dass September Of My Years als Schnittstelle wohl doch eine Ausnahmeerscheinung war. Jenkins war zu diesem Zeitpunkt schon und Sinatra noch gut genug, um Großes zu vollbringen.
Nobody Wins ist ein weiterer für diese Phase symptomatischer Popsong. Seltsamerweise gefällt mir die Melodie, so dass ich ihn gar nicht gebührend verreißen kann. Okay, sagen wir, es handelt sich hier gerade noch um einen guten Saloon-Song im allerweitesten Sinne. Jenkins macht ihn zu mehr als er von Hause aus wäre. Subtile Spannung in den Harmonien.
Send In The Clowns, eine Möglichkeit für Jenkins, sich wenigstens einmal vom Pop-Beat zu lösen. Kann mir bitte jemand sagen, wieso ich an diesem Lied rein gar nichts finde?
There Used To Be A Ballpark hätte eine gute B-Seite für Send In The Clowns abgegeben. Die selbe Sentimentalität, Verlorenheit, nur jetzt wieder im altbekannten Pop-Rhythmus gefangen. So kommen Jenkins' technische Finessen überhaupt nicht zur Geltung. (Kann mal bitte jemand den Schlagzeuger entfernen?) Wie schon gesagt, schade, dass Jenkins nun die Fähigkeiten hätte, aber keine Möglichkeiten mehr bekommt, sie zu entfalten.
Gleich ist es überstanden, auch wenn die Schlussnummer dem Hörer noch einmal alles abverlangt. Die Pseudo-Gospel-Pop-Ballade Noah entzieht sich jedem Kommentar. Das ist ein Thema für sich.
23:41 Uhr - Trilogy: The Future
Eigentlich ein Album für sich, womöglich nur aus kommerziellen Gründen auf Trilogy gelandet (mitgehangen, mitgefangen). Dieses höchst ungewöhnliche Album zu besprechen wäre wiederum ein komplettes eigenes Thema.
Offen gesagt sehe ich mich bis jetzt außerstande, dieses Album überhaupt zu beurteilen, da ich, so unglaublich es klingt, trotz mehrmaligem Hören nicht weiß, wie es auf mich wirkt. (Falls es noch jemandem dort draußen ähnlich gehen sollte, wäre ich mehr als dankbar für eine solidarische Bestätigung.) Aus diesem Grunde kann ich auch nicht wesentlich auf Jenkins' Wirken eingehen. Technisch hat er zumindest mehr Spielraum als in Ol' Blue Eyes Is Back und ich vermute, er hat ihn recht ordentlich genutzt(?)
Zumindest hat dieses Album auf mich eine einzigartige hypnotische Wirkung. Ich weiß nicht, wo meine Gedanken hingehen, wenn ich es höre, aber es ist relativ weit weg, und es passiert jedes Mal wieder, unweigerlich. Wenn Jenkins dafür verantwortlich sein sollte, spräche das für seine Fähigkeiten als Arrangeur.
00:21 Uhr - She Shot Me Down
Zurück auf der Erde, und ich weiß nicht einmal, ob ich mich freuen soll, oder bedauern, dass The Future schon vorbei ist. Wenigstens wieder beurteilbare Regionen: Musik!
Good Thing Going knüpft an Ol' Blue Eyes Is Back an, nur mit deutlich optimistischerer Grundstimmung. Von Jenkins kommt hier künstlerisch wiederum wenig durch. Kein Raum für gar nichts.
Hey Look, No Crying ... irgendwie ... langweilig. Gar nichts Besonderes mehr. Wenn das nicht zufälligerweise ein Mr. Sinatra gesungen hätte, würde ich mich nicht mehr an diesen Song erinnern, und auch so fällt es schwer genug. Jenkins' Arrangement nervt zumindest nicht explizit, damit dürfte genug gesagt sein. Sinatras Stimme wäre noch gar nicht so furchtbar schlimm (nur ein bisschen), vielmehr regt die Songauswahl auf. Das ist ein anderes Thema? Natürlich, sorry ...
Nächster Song: Thanks For The Memory. Wieder nichts Besonderes, aber von allen neuen Songs dieses Albums noch am ehesten Sinatra, wie wir ihn lieben gelernt haben, seltsamerweise noch relativ unweinerlich. Auf September Of My Years hätte es als Füller noch mal eben reingepasst, auf She Shot Me Down ist es schon ein einsames Highlight. Alles ist relativ.
A Long Night ... bezeichnend, wenn die ersten Takte zum Lachen reizen? Die Frage bleibt, ob bezeichnend für Sinatra oder bezeichnend für mich als Hörer. Das Arrangement ist mir bei weitem zu konzertant. A taste of Trilogy: The Future. Und Sinatra? Hmm ... nein, kein Kommentar.
Der selbe alte, weinerliche Sinatra, die selbe größenwahnsinnige konzertante Jenkins-Arrangierweise in Bang Bang. Wir lernen daraus, dass Kitsch auf zwei verschiedene Arten erzeugt werden kann: durch eintönig uninspiriert schwülstige Streicher wie in Where Are You? und, wie hier, durch übertriebenes Ausleben orchestraler Genialität. Lustig, dass der Ergebnis-Kitsch beide Male der gleiche ist.
Monday Morning Quarterback ist weniger kitschig, dafür wieder um so langweiliger. So wechselt sich das durchgehend ab. Im Instrumentalsolo finden sich Beweise, das Jenkins es immer noch voll drauf hätte, die in diesem Zusammenhang einsam und allein auf weiter Flur nur um so trister wirken.
South - To A Warmer Place. Genau dorthin wünsche ich mich im Moment auch, auf jeden Fall weit weg von diesem Sinatra in seinen letzten Zügen. Zumindest formal ein Punkt für Jenkins. Man verzichtet auf den Pop-Beat und erzeugt fast eine ähnliche Saloon-Stimmung wie in der Urversion von "Don't Cry Joe". Allein, was hilft's, wenn alles andere (= the Voice) nicht stimmt?
In I Loved Her zeigt sich Sinatra wieder von seiner ganz besonders weinerlichen Seite. Das Jenkins-Arrangement hingegen würde angenehm auffallen, wenn Sinatra nicht davon ablenken würde und der gesamte Albumkontext den Hörer bis dahin nicht bereits zu Tode verdrossen hätte. Es wäre wohl ein recht schönes Arrangement, muss man eingestehen.
Zum Abschluss des Albums feiern wir die guten alten Zeiten mit The Gal That Got Away / It Never Entered My Mind. Es lebt von der Nostalgie und von Nelson Riddles Vorarbeit, aber wenn wir genauer hinhören, scheint diese Nostalgie auch Sinatra gut zu tun. Er wirkt vergleichsweise gut, vor allem (aber nicht nur) im ersten Teil, als gäbe ihm die Erinnerung an bessere Songs zumindest ein bisschen Auftrieb. Vielleicht ist dieser kurzfristige Höhenflug in dem Album aber auch darauf zurückzuführen, dass er für diese Nummer nicht mit Gordon Jenkins zusammengearbeitet hat? Wer weiß ...
Zu guter Letzt: Der Bonustrack - Everything Happens To Me. Sinatras Leistung ist indiskutabel, aber da es hier um Gordon Jenkins geht (zur Erinnerung, falls das mittlerweile jemand vergessen haben sollte), muss erwähnt werden, dass auch dieses Arrangement erstaunlich angenehm wäre. Man stelle sich vor, Sinatra hätte es etwa 1946 so wie es ist bekommen, dann hätte er mit Sicherheit etwas daraus gemacht.
01:05 Uhr - Ende der Vorstellung
Nach meinem "kleinen" Ausflug in die Welt des Gordon Jenkins möchte ich sagen, dass es mir außer vielen mehr oder weniger leeren Worten noch etwas mehr gebracht hat. Nämlich die Erkenntnis, dass mein vorheriges Urteil über seine Arbeit sowohl richtig als auch falsch war.
Der Zusammenarbeit mit Sinatra ist meiner Meinung nach tatsächlich nicht so viel Großartiges entwachsen, aber dass das an der uninteressanten, schwülstigen Arrangiertechnik von Jenkins gelegen hat, stimmt nur ungefähr bis No One Cares. Der Schluss (ab Ol' Blue Eyes Is Back) ist wegen Sinatras Verfall und der seltsam untypischen Songauswahl der Post-Retirement-Phase ebenfalls nichts Besonderes.
So bleibt nur die erwähnte Schnittmenge (als Jenkins schon gut genug und Sinatra noch nicht zu schlecht war), die sich in nur zwei Alben manifestiert, nämlich All Alone und September Of My Years. Von ersterem hatte ich schon vor diesem Experiment keine niedere Meinung, das heißt, effektiv habe ich durch diesen 5-Stunden-Marathon ein Album neu entdeckt. Wenn das nichts ist ...
Und nun möchte ich jeden einladen, es mir gleich zu tun und sich auf die eine oder andere musikalische Entdeckungsreise zu begeben.
There's much left to explore ...
Gute Nacht
... Freuen Sie sich außerdem auf
A Jolly Christmas From Frank Sinatra
Weihnachten in einer Stereoanlage auch in Ihrer Nähe ...
Gentlemen, do not worry. Nathan Detroit's crap game will float again!