Nachfolgendes Konzert - bekannt als Sinatra´s Comeback-Konzert - wird hierorts von allen Seiten beleuchtet und eingehendst diskutiert werden. Dermaßen eingehend, wie noch nie und nirgendwo zuvor - einer Maßstäbe setzenden Diskussion sei hiermit freie Bahn erteilt. Meine Damen und Herren - meine sehr verehrten Damen und Herren, der Ball ist aufgelegt - er liegt einmal mehr bei Ihnen.
Es folgt nunmehro die Rezension, welche ich für meine HP Entertainer Of The Century zu verfassen mir vor Zeiten habe angelegen sein lassen.
Introduction The Lady Is A Tramp I Get A Kick Out Of You Let Me Try Again Autumn In New York I´ve Got You Under My Skin Bad Bad Leroy Brown Angel Eyes You Are The Sunshine Of My Live The House I Live In My Kind Of Town My Way
"Hochgeehrtes Publicum, fast alle unter Ihnen wissen freilich, dass Sinatra Mitte 1971 seinen Rückzug aus dem Show-Geschäft ankündigte und ihn zunächst auch in die Tat umsetzte. Doch langweilte sich Sinatra offenbar als Pensionär, auch dürfte ihm die Bühne, die Musik und nicht zuletzt wohl auch der Beifall des Publicums gefehlt haben. Kurzum: Der Ruheständler wurde rückfällig und feierte nach nur zwei Jahren Pause Mitte 1973 mit dem allerdings eher schwachen Album Ol´ Blue Eyes Is Back nebst gleichnamigem, auch auf DVD erhältlichem TV-Special sein Comeback.
Das Jahr 1974 stand im Zeichen der Comeback-Tournee des Barden. Für den Oktober war ein Konzert im Madison Square Garden in New York vorgesehen, das weltweit im TV übertragen und auch auf einem Live-Album dokumentiert werden sollte. Der Barde jedoch nahm diesen Termin offenbar nicht sonderlich ernst und soll den Madison Square Garden erst kurz vor Beginn des Konzertes betreten haben, die Proben mussten ohne den Sänger stattfinden.
The Main Event - so wurde das Konzert in den Medien angekündigt, fand wie geplant am 13. Oktober des Jahres 1974 statt, Zwanzigtausend Zuseher im Garden sowie eine riesige Menschenmenge an den TV-Schirmen wurden zu Zeugen Sinatras zu diesem Zeitpunkt leider ausgesprochen unerfreulicher stimmlicher Verfassung. Oh, meine Damen und Herren, auch der Sänger selbst äußerte sich im Anschluss unzufrieden über seine Leistung. Das zuvor groß angekündigte Live-Album - ebenfalls The Main Event betitelt - wurde aufgrund Sinatras stimmlich wenig überzeugenden Auftritts eilig aus verschiedenen Aufnahmen der laufenden Tournee zusammengeschustert, ohne diese Vorgehensweise allerdings auf dem Cover der Schallplatte zu erwähnen. Je nun, auch diese Nachbearbeitung fruchtete wenig und die meisten Kritiker sowie die Plattenkäufer äußerten sich wenig angetan. Wenden wir uns nunmehr aber dem auf DVD vorliegenden TV-Special zu, welches im Gegensatz zum gleichnamigen Album tatsächlich den Auftritt vom 13. Oktober zum Inhalt hat:
Am Beginn sieht man einige abendliche Impressionen von New York, während Ansager Howard Cosell bereits seinen von der CD bekannten roboterartigen Vortrag herunterleiert. Danach sieht man die ausverkaufte Arena des Madison Square Garden mit dem Boxring in der Mitte, welcher Sinatra an diesem Abend als Auftrittsfläche dienen sollte. Die Kamera schwenkt während der Ansage des offenbar toupet-tragenden Cosell ins Publicum und verharrt für Momente in Großaufnahmen von Prominenz wie Rex Harrison oder Robert Redford.
Nun werden wir auch Sinatra gewahr - Bodyguards bahnen dem Star seinen Weg zur Bühne, während das Orchester bereits die Einleitung zu The Lady Is A Tramp anstimmt. Der Barde, glücklich unbeschadet auf der von allen Seiten einsichtigen Bühne angelangt, badet noch einige Zeit im begeisterten Applaus der Menge, ehe er das Mikrofon ergreift und das Konzert mit dem Klassiker The Lady Is A Tramp eröffnet. Das neue, rasante Arrangement von Billy Byers macht von Beginn weg Stimmung, wie man an den Reaktionen des Publicums unschwer zu erkennen vermag - ebenfalls unschwer zu erkennen ist Sinatras wenig erquickliche stimmliche Verfassung, auch scheint der Barde seit seinem Comeback-Special vor Jahresfrist deutlich gealtert zu sein, ist feister geworden, viel Grau mischt sich in sein zwar perfekt sitzendes, aber insgesamt wenig natürlich anmutendes Toupet. I Get A Kick Out Of You leidet an manchen Stellen unglaublich an der Rauhigkeit von Sinatras Stimme, mitunter wirkt sie regelrecht wie verrostet oder den Nachwirkungen einer wüst durchzechten Nacht unterliegend - unwillkürlich wünscht man, der Barde würde seinen Schlund endlich freiräuspern.
Nun läßt Sinatra mit Let Me Try Again einen Song aus seinem Comeback-Album folgen, wobei sich das stimmliche Trauerspiel leider nahtlos fortsetzt. Nichts desto wird die in Zusammenhange mit dem Comeback höchst bedeutsame Textzeile Let Me Try Again vom Publicum mit Zwischenapplaus bedacht. Der Song an sich ist ein ziemlich pathetischer Schlager, aber verglichen mit manchem Liedgut des Comeback-Albums noch einigermaßen erträglich. Der Barde läßt nun einen bewährten und bekannten Klassiker des American Songbook folgen - Autumn In New York passt nicht nur zur Jahreszeit, sondern auch gut zum Auftrittsort. Eingedenk der Verfassung Sinatras bei den zuvor gehörten Songs ist man bei dieser Ballade schon auf das Schlimmste gefasst - überraschenderweise gelingt dem Sänger aber eine recht passable Interpretation des Stückes. Zufriedenstellend verläuft auch I´ve Got You Under My Skin - ein Song, von dem mir keine schlechte Sinatra-Version bekannt ist, auch dem Publicum im Garden gefällt´s, nicht wenige Zuschauer klatschen und swingen quietschfidel mit. Übrigens gibt es während aller Songs immer wieder Kameraschwenks ins Publicum, allzu oft allerdings in unnötig lang gehaltenen Großaufnahmen, was auf mich persönlich etwas störend, mitunter gar befremdlich wirkt. Dabei ist auch zu erkennen, dass sich das Publicum mehrheitlich aus Angehörigen der Generation 65-Plus zusammensetzt - zwar sieht man vereinzelt auch jüngere Gesichter, aber diese sind doch deutlich in der Minderzahl.
Bad Bad Leroy Brown, damals ein noch ganz neuer Song für Sinatra, ist höchst unerquicklich, Sinatra singt derb, roh und ungeschlacht - oh meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Song und auch Sinatras Art damit umzugehen, ist so ganz und gar nicht nach dem Gusto Ihres ergebenen Dieners, welcher es denn kaum erwarten kann, dass der Song zu Ende geht. Das Publicum im Garden dagegen reagiert mit sichtbarlichen Zeichen der Ausgelassenheit auf das Stück, manche erheben sich von ihrem Gestühl, zwei Damen nur sehr schwer definierbaren Alters wagen sogar ein Tänzchen... je nun: suum cuique. Der Barde läßt nun einen seiner berühmtesten Saloon-Songs folgen: Angel Eyes. Eine Zigarette in der Hand und nur von einem einzelnen Spot beleuchtet, mimt Sinatra in Haltung und Gestus sehr überzeugend einen trunkenen Barbesucher in den frühen Morgenstunden. Oh, wäre auch die stimmliche Verfassung so überzeugend wie die darstellerische Leistung des Barden!
Der folgende Monolog ist übrigens derselbe, welcher auch auf der CD-Ausgabe des Main Event zu hören ist - dann folgt erneut ein Lied, welches seinerzeit neu im Repertoire des Sängers war, You Are The Sunshine Of My Life von Stevie Wonder. Hier werden die stimmlichen Schwächen einmal mehr besonders deutlich, darüber hinaus phrasiert Sinatra stellenweise schlampig. Das folgende patriotische The House I Live In findet totz der stimmlichen Unwägbarkeiten und Schwankungen naturgemäß großen Anklang beim Publicum. Tatsächlich klingt Sinatra hier dermaßen alt, welk und verbraucht, dass stimmlich fast kein Unterschied zur Duets 2-Fassung wahrgenommen werden kann, welche beinah ganze zwanzig Jahre später entstand... ohhhh meine sehr verehrten Damen und Herren - schließen Sie daraus, was Ihnen beliebt. Das schnelle Arrangement von My Kind Of Town kommt der lädierten Stimme des angejahrten Sängers unendlich mehr entgegen - Sinatra gelingt eine energiegeladene Version, welche vom Publicum entsprechend beklatscht wird.
Nunmehr am Ende der Show angelangt, folgt das freilich unvermeidliche My Way, welches der Sänger trotz unglaublicher Sprödigkeit in der Stimme zumindest halbwegs zufriedenstellend meistert. Sinatra beendet den Song unter dem tosenden Applaus der Zuschauerinnen und Zuschauer, die Lichter im Madison Square Garden gehen an und der Sänger läßt sich gar dazu herbei, nicht wenige der ihm entgegengestreckten Hände zu schütteln, während ein Assistent damit beschäftigt ist, die Blumensträuße und sonstigen Geschenke, welche Sinatra hingestreckt werden, einzusammeln.
Sinatra selbst merkte zu einem späteren Zeitpunkt an, er sei an diesem Abend in keiner sehr guten Form gewesen - ich teile diesen Befund und meine sogar, dass der Star an manchen Momenten nur sehr knapp an einem völligen stimmlichen Desaster vorbeischrammte. Mit Sicherheit war dieser Auftritt die bis zu diesem Zeitpunkt stimmlich verunglückteste in Bild und Ton festgehaltene Performance Sinatras - dies zu allem Übel auch noch vor den Augen einer riesigen Menschenmenge vor den TV-Schirmen in aller Welt. Ursprünglich war eine Veröffentlichung des Auftritts auf LP vorgesehen, nach Sinatras ausgesprochen mäßiger Leistung jedoch zog man es vor, nur Teile des Konzerts für die LP zu verwenden, große Teile wurden anderen Konzerten der ´74er-Tour entnommen - freilich ohne insgesamt ein wesentlich besseres Gesamtergebnis zu erzielen, Sinatra befand sich während der gesamten Auftrittsserie in keiner guten stimmlichen Verfassung, sein bedenklich zitterndes Timbre und die Rauhigkeit und Unelastizität seiner Stimme brachten das Denkmal gehörig zum Wackeln - in der Tat dokumentieren sowohl CD als auch DVD einen künstlerischen Tiefpunkt in der Karriere Sinatras.
Viel Bitternis und Ungemach erwuchsen dem Barden in den folgenden Jahren noch durch dieses fast desaströse Konzert: Ab diesem Zeitpunkt nämlich sah er sich verstärkt der Kritik der Journaille ausgesetzt, welche - da Sinatra Ihnen nun eine hervorragende Angriffsfläche geboten hatte - bei jeder künftigen Tournee, bei jeder künftigen Plattenveröffentlichung immer wieder - mitunter auch nicht ohne Häme - auf den stimmlichen Niedergang des alternden Sängers verwiesen."
Sehr geehrte Damen und Herren Leserinnen und Leser - Sie befinden sich in einer Kommunikationseinrichtung, welche den ENTERTAINER OF THE CENTURY (mit anderen Worten SINATRA, SINATRA und nochmals SINATRA) in ersprießlicher Weise thematisiert wissen möchte. Geschätztes Publicum: Diese Einrichtung ist in der Tat so hochgradig erquickend, so ungemein gastlich, der Wohlfühlfaktor so enorm hoch, dass es kurzum nichts Geringeres denn eine wahre Lust ist, sich hierorts aufzuhalten und sich durch die mannigfaltigen Rubriken zu bewegen! Sehen Sie sich gut und in aller Ruhe um und Sie werden - darauf mein Wort - nicht umhinkommen zu sagen: "Hier ist es schön, hier will ich bleiben."
*** Wertes Publicum: FRAU CHARLOTTE ROCHE ist eine GÖTTIN - eine WAHRE GÖTTIN ***