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Dieses Thema hat 3 Antworten
und wurde 908 mal aufgerufen
 SINATRA - DIE SONGS
Holger Schnabl
Prinzipal & Melancholiker


Beiträge: 1.635

15.11.2005 18:09
Oh What A Beautiful Mornin´ (Columbia-Song, 1943) Zitat · Antworten

Guten Tag!

Obwohl schon einige Zeit, ja fast schon ein Jahr bei Columbia unter Vertrag, war es durch einen längeren Streik der Studio-Musiker-Gewerkschaft Sinatra unmöglich, Songs mit Begleitmusikern aufzunehmen. Da ein Ende des Streiks kaum abzusehen war, entschloss man sich schließlich dazu, aus der Not eine Tugend zu machen und entschied sich für die Aufnahme von A-Cappella-Songs.

Zwischen Juni und November wurden neun Songs ohne Instrumente, Sinatra nur von einem Background-Chor begleitet, eingesungen. Am 5. August 1943 nahm Sinatra den für mich beeindruckendsten dieser Songs auf: Oh What A Beautiful Mornin´ aus dem Musical „Oklahoma“ von Richard Rodgers und Oscar Hammerstein II.

Als Background-Chor fungierten die Bobby Tucker Singers, zu denen damals ein gewisser Ray Charles zählte – fragen Sie mich jetzt aber bitte nicht, ob es sich hierbei etwa gar um den späteren Rhythmn & Blues und Soul-Superstar gleichen Namens handelt - hier vielleicht noch ganz zu Beginn seiner Karriere.

Je nun, die Arrangements für den Chorgesang stammen bei allen neun Songs von Alec Wilder und insgesamt gesehen zählen diese A-Cappella-Songs für mich zu den wohl allerschönsten Sinatra-Aufnahmen der Columbia-Phase, ja eigentlich seiner gesamten Karriere. Ich gestehe freimütig, mir den Song, der uns nun als Diskussiongrundlage dienen soll – also „Oh What A Beautiful Mornin´“ vor einigen Jahren über Monate und Monate hinweg ausnahmslos jeden Tag schon vor dem Ausstehen gehört zu haben, dank Fernbedienung musste ich dazu nicht einmal mein Bettchen verlassen – ein großes Lob hierorts an die Technik, die uns in der Tat manche Bereiche des täglichen Lebens durchaus erleichtert...

Gut denn, auf welchem Tonträger finden wir diesen Song?
Natürlich brauchen Sie – die blaue Box in Griffnähe – nicht allzu lang zu suchen:


Studio-Aufnahme
Version vom 5. August 1943 - - - 12-CD Box „The Columbia Years – The Complete Recordings“


Nun denn, diesmal also ein Diskussionsthema, das in der Tat sehr weit zurück geht – folgen Sie mir also auf eine musikalische Zeitreise, dazu brauchen Sie nur die Columbia-Box, im Zweifelsfall finden Sie dieses Kleinod von einem Song aber auch auf etlichen sich im Umlauf befindllichen Billig-Samplern.

Keinesfalls und in diesem Fall schon gar nicht möchte ich Ihnen den Songtext vorenthalten, den ich durch oben geschilderte Hörerfahrung noch heute problemlos im Schlaf einhersagen könnte, so sehr habe ich ihn mir seinerzeit durch oftmaliges Immer-Wieder-Hören verinnerlicht:


There's a bright golden haze on the meadow
There's a bright golden haze on the meadow
The corn is as high as an elephant's eye
And it looks like it's climbing clear up to the sky

Oh, what a beautiful mornin', oh what a beautiful day
I got a beautiful feelin' everything's goin' my way

All the sounds of the earth are like music
All the sounds of the earth are like music
The breeze is so busy it don't miss a tree
And the little ole willow is laughin' at me

Oh, what a beautiful mornin', oh, what a beautiful day
I got a beautiful feelin' everything's goin' my way

Oh, what a beautiful mornin', what a beautiful day
I got a beautiful feelin' everything's goin' my way


Wertes Publicum, warten Sie nicht erst bis zum nächsten Morgen, nein, legen Sie die CD Numero Eins der Columbia-Box lieber gleich ein und lassen Sie sich von dieser Songperle verzaubern!


Allen noch einen gemütlichen Abend
H.S.

Sinatra - Entertainer Of The Century
http://www.geocities.com/allthewaysinatra
“...die Diskussion geht weiter!...wo wenn nicht hier, wann wenn nicht jetzt?“

T.Bode
Verschollener


Beiträge: 836

16.11.2005 18:20
#2 RE: Oh What A Beautiful Mornin´ (Columbia-Song, 1943) Zitat · Antworten
Hier haben wir wirklich einen wunderbaren und vor allem interessanten Song.
In sofern nämlich, dass der Song zu etwa 98% von Sinatra und seiner Stimme getragen wird, er allein (und natürlich in viel geringerem Maße die Bobby Tucker Singers), also einen interessanten Kontrast zu den Songs darstellt, die zu einem großen Teil von einer Big Band etc. geprägt sind.
Und es ist wirklich etwas ganz Wunderbares, dem Lauschen zu dürfen, da gebe ich dir 100%ig recht, Holger.

P.S. Dieser Mensch im Background Chor kann unmöglich DER Ray Charles sein, der begann seine Karriere nämlich erst 1945, 1943 wäre er zudem erst 13 Jahre alt gewesen.

F. X. Huber
Fahnenflüchtiger


Beiträge: 408

30.01.2006 20:13
#3 RE: Oh What A Beautiful Mornin´ (Columbia-Song, 1943) Zitat · Antworten

Besagte neun Aufnahmen ohne Instrumentalbegleitung präsentieren Sinatra tatsächlich, wie es später in anderem Zusammenhang heißen sollte, in his most intimate mikeside manner, weniger (aber letzten Endes auch) wegen der speziell romantischen Thematik der Songs, sondern rein technisch betrachtet in der reinen und unvermischten Hervorhebung seiner zu diesem Zeitpunkt wunderbar jugendlichen Stimme.
Selten bekommt man einen Sinatra zu hören, der im klassischen Sinne schöner singt, als in dieser Phase. Natürlich hätte Sinatra es mit bloßer stimmlicher Schönheit wohl nicht zu dieser einzigartigen Karriere gebracht, und man muss eingestehen, dass diese Art zu singen den meisten, die Duets als ihr Lieblingsalbum bezeichnen, nicht zwangsläufig gefallen muss. Ein Projekt in dieser Intimität hätte in Zeiten jenseits der Vierziger einen zu schweren Stand gehabt, um durchgeführt zu werden.

In diesen Zeiten kann Sinatra aber auch erstmals stimmlich brillieren. Die Technik ist ausreichend entwickelt, die Nuancen seiner Interpretation zu erfassen, und er hat sich nicht mehr an die Rolle des "Begleitsängers" zu halten, wie noch zu Zeiten des Sentimental Gentleman. Zweifellos sind die Aufnahmen mit dem Tommy Dorsey Orchester nicht minder qualitätvoll, aber man muss eingestehen, dass sich Sinatras Gesang zu diesen Zeiten nur relativ begrenzt im Hintergrund entfalten konnte (kein Wunder, bei diesem ganzen "Lärm" außen rum)

"Oh, What A Beautiful Mornin'" ist aus dieser Reihe meines Erachtens nach das Beispiel, dem die Umsetzung der Not in eine Tugend am besten gelingt. Dieser Song profitiert mehr als alle anderen von dem Choral-Arrangement, hier trägt es aktiv dazu bei, die Stimmung zu transportieren. Wohl aus diesem Grund wird der Chor in diesem Song auch besonders stark durch Soli herausgehoben. Er transportiert in besonderer Weise eine Stimmung der "Verschlafenheit" im besten Sinne.
Für Balladen wie "Close To You" Oder "I Couldn't Sleep A Wink Last Night" ist der Chor, wie man sieht, auch gut durch Streicherarrangements zu ersetzen. Nur im Falle von "Oh, What A Beautiful Morinin'" würde dies aufgrund seiner dargestellten zentralen Rolle einer Abwertung gleichkommen. Möglicherweise spielt auch etwas Gewohnheitseffekt in meine Einschätzung, immer wenn ich an dieses Lied denke, habe ich auch dieses Arrangement vor meinem geistigen Ohr. Ich möchte es nicht missen und könnte mich nur sehr schwer mit einem anderen als dem ultimativen Arrangement anfreunden.
Thematisch, inhaltlich und auch rhythmisch eine erfrischende(?) Abwechslung inmitten der zahllosen Love Songs des frühen Columbia-Sinatra.

Sogar unabhängig von jeglicher persönlichen Wertung einer der Sinatra-Songs, die ich sofort gegenwärtig habe, quasi als das Symbol des frühen Solo-Sinatra, und an denen ich mich auch oft genug entsprechend delektiere.

(Bitte weist mich darauf hin, wenn ich zu lang oder zu redundant war. Das Stück ging mit mir durch.)

Viel Freude beim Wiederentdecken

Franz Huber
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Die Leute, die das Gras wachsen hören, sind meist dieselben, die es gesät haben. (Peter Frankenfeld)

F. X. Huber
Fahnenflüchtiger


Beiträge: 408

31.01.2006 19:25
#4 RE: Oh What A Beautiful Mornin´ (Columbia-Song, 1943) Zitat · Antworten

Erst nachdem ich die umfangreiche Rezension gelesen habe, die Thorsten Bode, mein Freund und Kupferstecher, verfasst hat, erkenne ich die unbedingte Notwendigkeit eines Nachtrags.
So könnte beim flüchtigen Lesen der Eindruck entstehen, der Autor dieses Beitrags sei Sinatras Zeit mit dem Tommy Dorsey Orchester nicht sehr zugetan. Oh nein, nein und nochmals nein - weit gefehlt! Das Gegenteil ist der Fall. Der Begriff Lärm versteht sich in diesem Kontext, wie Sie sicherlich auf den zweiten Blick erkannt haben, als Ironie.
Lassen Sie mich die Gelegenheit beim Schopf und zugleich das Wort ergreifen, um in aller Kürze eine Richtigstellung vorzunehmen, bevor alles zu spät ist und Sie mich etwa aus Ihrem Abendgebet streichen müssten.

Sinatras Aufnahmen mit den Orchestern von Harry James und Tommy Dorsey möchte ich als Highlights seines Schaffens herausstellen. Weniger bei Harry James, um so mehr jedoch bei Tommy Dorsey entsteht der Eindruck, dass Sinatras Anteil an der Klasse dieser Aufnahmen nicht so groß war, wie er unter Umständen hätte sein können. Oder, um auf den Punkt meiner obigen Aussage zurückzukommen, es ist sicherlich kein Zufall, dass der Name Dorsey immer zuerst genannt wird.
Ob Sinatra-Anhänger sich allerdings einen höheren Netto-Frank-Anteil an dieser Schaffensperiode wünschen sollten, ist eine rein theoretische und überdies höchst zweifelhafte Überlegung. Schließlich sind die Aufnahmen des Tommy Dorsey Orchesters, so, wie sie vorliegen, nahezu optimal. Die Konsequenz des Sängers, die Band zu verlassen, um selbst an Profil zu gewinnen, war logisch (und die neuen Möglichkeiten zeigen sich besonders kontrastiv in besagten Aufnahmen ohne Instrumentalbegleitung), und doch hat ihm die Mitwirkung an den genannten Projekten alles andere als geschadet. Für eine gute Dorsey-Aufnahme am Abend bin ich immer zu haben, aber bitte fragen Sie mich nicht, ob das in diesem Fall an Sinatra liegt ...

... doch das nur am Rande, bitte die notwendige Abschweifung nachzusehen.
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