Meine Damen und Herren, Sie alle wissen um den Verschlechterungsprozess, dem Sinatras Stimme in den letzten dreissig Jahren seiner überlangen Karriere unterworfen war. Nun mag es aber durchaus Anhänger des Barden geben, welche dem geringe Bedeutung beimessen und im Gegenteil wider jeder Vernunft sogar noch heilfroh darüber sind, dass der Barde seine Tätigkeit auch dann noch fortsetzte, als seine Stimme nichts mehr mit jener seiner besten Tage gemein und zu thun hatte.
Sie wissen vermutlich, wenn nicht, so sei es Ihnen also nunmehr mitgeteilt - dass für mich Sinatras „Ablaufdatum“ spätestens 1970 ist, bei Anlegung strenger Kriterien gar 1965.
Wie halten nun Sie, wertes Publicum, es mit Ihrem ganz persönlichen Ablaufdatum des Barden? Wann ist für Sie der Punkt erreicht?
In diesem Zusammenhang noch ein wichtiger Diskussionspunkt: Nach seinem Comeback 1973 gelang Sinatra vom künstlerischen Standpunkt aus nur mehr sehr wenig: Beim besten Willen wird es aus den Jahren nach 1973 in Summe vielleicht zehn (eher weniger) Songs geben, mit denen man, ohne zu hadern, leben kann. Was wiegt nun mehr, diese paar halbwegs erquicklichen Songs oder die vielen anderen Lieder, welche - teils durch die Tatsache, dass Sinatras Stimme versagte, teils durch die Tatsache, dass es sich schlicht um wenig erquickliches, triviales Songmaterial handelte, die Legende Sinatras nach 1973 spürbar ins Wanken haben geraten lassen?
Um es auf den Punkt zu bringen: Entschädigen die paar halbwegs gelungen Songs dieser Phase für die vielen Peinlichkeiten und Unzukömmlichkeiten, denen Sinatras Ruf so manchen Kratzer verdankt? Meine Damen und Herren, schreiben Sie sich die Finger wund - selten nur gab es je in einem Sinatra-gewidmeten Forum ein Thema von größerem Potenzial.
Holger Schnabl, mein lieber Freund und Kupferstecher, Du unterschlägst mit Deiner Frage ein wesentliches Detail: Um es auf den Punkt zu bringen: Entschädigen die paar halbwegs gelungen Songs dieser Phase für die vielen Peinlichkeiten und Unzukömmlichkeiten, denen Sinatras Ruf so manchen Kratzer verdankt?
Diejenigen, die den späten Sinatra anhören, tun das aus freien Stücken. Ungeachtet meiner und deiner Meinung, dass es bis auf Teile von Trilogy wenig erfreuliches gab, gibt es auch viele, in deren Augen Sinatras Ruf gerade durch sein Spätwerk als "abgehalfterter Pop-Sänger" gestiegen ist. Das darf nicht unter den Tisch fallen. Sinatra hat damit gutes Geld verdient, und Kommerz ist, ob man das gerne sieht oder nicht, auch ein Kriterium für Erfolg.
Jeder freie Mensch, der sagt, Frankie hätte aufhören müssen, verkennt die Tatsache, dass es einem unbenommen bleibt, die Teile, die einem nicht zusagen, nicht anzuhören.
Zurück zur Frage: Bei mir persönlich hört es nach Robin and the 7 Hoods auf, zu gefallen. It might as well be swing kann man allenfalls noch dazu nehmen, muss man aber nicht notwendigerweise. Ich könnte ohne Fly Me To The Moon leben, aber Hello Dolly wollte man noch einmal zum gerade noch ausreichenden Zeitpunkt von Sinatra hören. Also sei's drum, mit etwas Kulanz geht das Album noch rein. Aber dann ist Schluss. Wiewohl bereits bei It might as well be swing der Anfang vom Ende deutlich zu erkennen ist, zwar weniger dem stimmlichen Verfall nach zu urteilen (wie gesagt: geht grade noch) aber in jedem Fall dem Repertoire nach. Um nur einen Titel stellvertretend dafür zu erwähnen: I can't stop lovin' you. Deutet schon verdächtig in Richtung All My Tomorrows und I Will Wait For You und wie sie alle heißen ...
Allenfalls gibt es noch eine oder zwei halbwegs hörbare Ausnahmen wie Moonlight Sinatra oder September of My Years, die man aufgrund der vielversprechenden Titelzusammenstellung ab und zu auflegen könnte - und es dann doch nicht tut und stattdessen Stordahls Bearbeitungen ähnlichen Materials den Vorzug gibt. Mein persönliches "Sinatra-Ablaufdatum" liegt somit noch eher als das principale, nämlich grob gesagt bereits im Frühsommer im Jahre des Herrn 1964. Das passt zeitlich, musikalisch und kulturell auch ziemlich gut. 1968 und spätestens im Sommer der Liebe war ohnehin bereits alles anders und mir wieder fremdartiger (so seltsam das von einem Nicht-Zeitzeugen klingen mag).
Holger, kannst du das von dir genannte Datum an Beobachtungen festmachen oder spezifizieren? Und was meint der Rest der Leserschaft?
Be who you are and say what you feel because those who mind don't matter and those who matter don't mind.
Für mich ist deshalb Neunzehnhundertundfunfundsechzig das Schicksalsjahr, weil der Barde in diesem Jahr das letzte Album, auf welchem er mich sowohl stimmlich als auch vom künstlerischen Gehalt des Albums restlos überzeugen konnte, aufnahm - meine Damen und Herren, ich spreche natürlich von Moonlight Sinatra. Mir geht es bei diesem Thema „persönliches Ablaufdatum“ allerdings vorrangig um die stimmliche Verfassung des Barden, die künstlerische Qualität des von Sinatra aufgenommenen Songmaterials wiederum wäre ein eigenes Thema für sich, welches durchaus dazu angethan wäre mit Blick auf den Gesamtverlauf der Karriere des Barden abgehandelt zu werden.
Alles, was der Barde künftig - also in den Jahren nach 1965 - in Angriff nahm, leidet entweder unter den immer stärker zutage tretenden stimmlichen Unzulänglichkeiten oder kann vom künstlerischen Blickwinkel aus betrachtet als Desaster gelten. Zwischen 1965 und 1970 versuchte Sinatra einen in meinen Augen ausgesprochen zweifelhaften Spagat zwischen Kommerz (That´s Life, The World We Knew, Cycles) und Anspruch (Sinatra-Jobim, Francis A. & Edward K., Watertown...) welcher vielleicht teilweise seinem Geldsäckel zugute kam, aber vermutlich auch Fans der ersten Stunde verprellt haben mag. Jahrzehntelange Fans des Barden werden zweifelslos den Kopf geschüttelt haben, als sie etwa mit dem Programm von „Cycles“ konfrontiert wurden.
Das Schaffen nach dem Comeback ab 1973 wiederum ist ohnehin mehr oder weniger ohne jegliche Bedeutung - wie schon oben erwähnt, können bei mildester Betrachtung vielleicht zehn Songs als in positivem Sinne bemerkenswert bezeichnet werden.
Natürlich bleibt es jedem unbenommen, auch am Späth-Werk Gefallen zu finden, wenn sich mir persönlich dafür - wie ich ehrlich zugeben muss - die Gründe auch weitgehend völlig verschließen. Hier handelt es sich eben um subjektive Wahrnehmungen, die ich dem Sinatra-Hörer nicht verdenke. Jedoch: Neben der subjektiven Wahrnehmung durch die Fans gibt es noch so etwas wie die objektive Betrachtung der musikhistorischen Bedeutung des Barden - und hier dürften jene, welche dereinst in so und so viel Jahren, wenn wir alle hier schon lange verschimmelt sind, ihren Befund ausstellen, durchaus zu ähnlichen Schlüssen gelangen, wie ich selbst nicht nur in meiner Eigenschaft als Prinzipal der EOTC-Seiten, sondern gerade auch als „gewöhnlicher“ Hörer. Denn diese Schlüsse sind geradewegs zwingend vorgegeben!
Und genau vor diesem Hintergrund stelle ich mir und uns die Frage, ob es für die Beurteilung Sinatras, welche von kommenden Generationen professioneller Musikhistoriker erfolgen wird, nicht weitaus günstiger gewesen wäre, der Barde hätte sich selbst und dem Publicum das Comeback erspart. Wie schon angedeutet, geht es dabei nicht darum, dass Fan Sowieso ein Album wie „Some Nice Things“ oder „L.A. Is My Lady „ toll findet, sondern darum, wie die objektive Stimme der Kritik Sinatras Post-Retirement-Schaffen bewertet und späterhin noch bewerten wird. Meine Damen und Herren, wer wenn nicht wir hierorts, die regen, wachen und kritischen Geistes sind, müssen versuchen auf folgende wichtige Frage eine Antwort zu finden:
Wäre es in der historischen Gesamtbetrachtung Sinatras nicht besser, die Welt würde die paar wenigen gelungenen Beispiele aus der Post-Retirement-Phase nicht kennengelernt haben, wenn damit gleichzeitig auch die vielen unersprießlichen Beispiele Sinatra´schen Versagens aus dieser Phase nicht entstanden wären? Um es in aller Kürze auf den Punkt zu bringen: Ist das eine oder andere gelungene Beispiel aus dem Spät-Schaffen Rechtfertigung genug für eine zu lange gedehnte Karriere, welche in der letzten Phase ab 1973 in überwiegendem Maße äußerst fragwürdige, teils haarsträubende Resultate zeitigte?
Meine Damen und Herren, wir müssen bei unseren Betrachtungen das an sich natürlich gültige Argument „Wer Sinatra ab Datum XY nicht mag, ist nicht gezwungen, ihn zu hören“ gänzlich außer Acht lassen - wir müssen uns in diesem Punkte der Objektivität verpflichtet fühlen, nichts anderem! Somit ergibt sich also einerseits die eben ausgeführte objektive Fragestellung, ob Sinatra als Künstler bewertet ohne die Post-Retirement-Phase nicht viel besser dastünde und andererseits die ganz oben erwähnte subjektive Fragestellung nach dem für den jeweiligen Hörer „persönlichen Ablaufdatum“ des Barden. Wir haben es also mit in Summe zwo Fragestellungen zu thun - wertes Publicum von nah und fern, ich wünsche frohes, ja allerfrohestes Schaffen. Und wer weiß, ob die Ergebnisse gerade unserer Betrachtungen nicht dereinst manchem Historiker als Grundlage dienen könnten und vielleicht werden.
Mein Freund Holger, was hast du heute gefrühstückt? Doch wohl nichts, was deine messerscharfe Urteilsfähigkeit beeinträchtigen würde?
Ich kann dir nämlich ausnahmsweise nicht folgen, obwohl du sonst doch immer ein Meister der Klarheit in deinen Äußerungen bist. Und dabei habe ich deinen Beitrag ganze dreimal gelesen. Du verweist auf die objektive Betrachtung der musikhistorischen Bedeutung des Barden. Wie stellst du dir vor, diese zu messen? Oder, um es gar auf die Spitze zu treiben: Gibt es in der Betrachtung von Kunst überhaupt eine Objektivität? Wenn ja, wieso besteht dann die Notwendigkeit über einen objektiven Sachverhalt eine Diskussion zu führen?
Wäre es in der historischen Gesamtbetrachtung Sinatras nicht besser, die Welt würde die paar wenigen gelungenen Beispiele aus der Post-Retirement-Phase nicht kennengelernt haben, wenn damit gleichzeitig auch die vielen unersprießlichen Beispiele Sinatra´schen Versagens aus dieser Phase nicht entstanden wären?
Diese Frage zielt auf eine Bewertung. Wenn die Bewertung objektiv sein soll, dann muss es allgemeine, für jeden Menschen unabhängig von seiner Individualbewertung nachvollziehbare Bewertungskriterien geben. Nenne mir diese bitte, dann werde ich versuchen, die Frage objektiv zu beantworten. Herzlichen Dank im Voraus.
Be who you are and say what you feel because those who mind don't matter and those who matter don't mind.
Da ich aus Zeitmangel leider nicht dem Wunsch von Franz, eine Liste von Variablen zur Definierung Sinatras gesanglicher Fähigkeiten im Laufe der Zeit zwecks Objektivierung der Fragestellung aufzustellen und mich aus obgenannten Umstand auch außer Stande sehe, auf die Schnelle ein Regelwerk von objektiven Kriterien zur Beurteilung von Kunst an sich zu schaffen, sehe ich mich gezwungen, die Fragestellung zu modifizieren.
Beantworten Sie also die Frage(n) nach subjektiven Gesichtspunkten, hiezu wird es wohl hoffentlich keines streng wissenschaftlichen Ansatzes bedürfen. Wertes Publicum: Lassen Sie uns also einfach Ihre persönliche Meinung wissen, die nachgeborenen Musikhistoriker mögen sich denn also selbst um die wissenschaftlichen Rahmenbedingungen kümmern - obgleich ich persönlich der Meinung bin, dass die objektive Beurteilung eines Sangeskünstlers sich um einiges einfacher gestaltet als die objektive Beurteilung beispielsweise eines abstrakten Gemäldes - je nun.
Zu Franzens Frage, welcher Art mein Frühstück war: Das selbe wie jeden Morgen - ein Heldenfrühstück bestehend aus zwei Tassen schwarzem Kaffee und zwei Zigaretten, bei denen ich - wie immer morgens - den Filter abgerissen habe.
Das Ablaufdatum Frank Sinatra's ist ganz genau der 14. Mai 1998. Was die Sangskünste des Barden, sowie Unterhaltungsmusik allgemein anbetrifft, so handelt es sich bei einer Beurteilung in jedem Fall um eine subjektive. Wenn ich demnächst losziehe um mir ein Gefährt zu kaufen, so werden meine Erwägungen auch in jedem Falle von subjektiver Natur sein. Mein Augenmerk wird darauf gerichtet sein, zuverlässig von A nach B zu gelangen, auch Punkte, die mein familiäres Umfeld anbetreffen, werden zu berücksichtigen sein. Eine krumplige alte Kleinstkarre werde ich also nicht in Erwägung ziehen können, ebenso wenig einen Ferrari oder Porsche, der betreffend meines familiären Umfeldes nicht geeignet ist und mit dem ich auch gar nicht in unsere Bundeshauptstadt einreisen könnte. Andere Menschen wiederum werden sich nur eine krumplige Kleinkarre leisten können, während wiederum andere aufgrund von der Natur vorgegebenen Unzulänglichkeiten auf den Ferrari zurückgreifen müssen.
Ähnlich verhält es sich mit den Sangsleistungen Sinatra's, eine von Grund auf subjektive Sache. Während Sinatra's Stimme für den ein oder anderen spätestens 1970 abläuft, läuft sie für wieder andere zu dem Zeitpunkt ab, sobald die ersten Töne seiner Stimme aus ihren Boxen dringen.
Liebe Leser dieses Forums, lieber Holger!
Eine von Grund auf subjektive Sache objektiv komplett zu durchleuchten, ja ihr ein allgemein verbindliches Ablaufdatum zu geben, wäre die Quadratur des Kreises, eine Leistung also, zu der noch nicht einmal ich imstande bin.
Thorsten Bode
Züchtige mich, Herr, - doch mit Maßen und nicht in deinem Grimm, auf daß du mich nicht aufreibst.
Indes bin ich zu dem Entschluss gelangt, dass man September Of My Years und Moonlight Sinatra nicht guten Gewissens aus dem wertvollen Teil des Werkes exkludieren kann. Deswegen beginnt die für mich subjektiv unerfreuliche Phase von Sinatras Werk nun symbolisch mit dem Album, dessen Titelsong für den Konflikt zwischen Popularität und Authentizität steht, dem von Sinatra ach so verhassten Strangers In The Night. Vom 11.04.1966 an nämlich fing der Sänger an, sich bei der Zusammenstellung seines Repertoires mehr und mehr nach dem Zeitgeist und dem Willen des Publikums zu richten, und seine wahre Stärke zu vernachlässigen.
Bevor nun wieder die Bemerkung kommt, dass die Titelauswahl nicht ausschlaggebend ist, möchte ich die Frage aufwerfen, ob sie nicht doch maßgeblichen Einfluss auf die Verfassung von Ol' Blue Eyes hatte. Es scheint so, als hätte er mit der Hingabe an Stücke wie Strangers In The Night, Winchester Cathedral, On A Clear Day oder Don't Sleep in the Subway Baby schlagartig einen Großteil seines Elans aufgegeben. Diese Stücke passen meines Erachtens nicht zu Frank Sinatra, weil sie kompositorisch und textlich nichts von der Eleganz, Raffinesse und der Dramaturgie eines Gershwin- oder Berlin-Songs haben.
Und was für diese Diskussion noch wesentlich wichtiger ist, es scheint kein Zufall zu sein, dass Sinatra ab diesem Zeitpunkt großteils lustlos bis angewidert (Downtown) dahin singt. Die erfreulichen Ausnahmen verstärken noch den Eindruck eines direkten Zusammenhangs zwischen Repertoire-Zusammenstellung und künstlerischer Selbstaufgabe. Kann Sinatra ab 1966 noch glänzen, so ist das fast ausnahmslos bei Klassikern der Fall, die "that old feeling" in sich tragen, unabhängig davon, ob er sie bereits früher im Programm hatte oder nicht.
Ich möchte stellvertretend für diese Shining Hours und als Beleg für meine Beobachtung insbesondere nennen: You're Driving Me Crazy!, Summer Wind, All Or Nothing At All (alle 1966); I Concentrate On You, Change Partners, Younger Than Springtime (1967) und nicht zuletzt große Teile des Trilogy-Albums (1979). Das gesangliche und zu diesem Zeitpunkt eher unerwartete Aufblühen lässt den unmittelbaren Zusammmenhang von Qualität/Engagement der Darbietung zu Raffinesse/Eleganz/Qualität des Songmaterials erkennen. In diesem Kontext empfehle ich zudem die Interpretationen von Thanks For The Memory, The Gal That Got Away/It Never Entered My Mind und Everything Happens To Me (1981) mit den aus der selben Periode stammenden Hey Look No Crying, Monday Morning Quarterback und South - To A Warmer Place zu vergleichen. Die Diskrepanz ist verblüffend.
Wer meint, ich hielte an dieser Stelle ein Pladoyer des Zuschnitts "nur alte Songs sind für Sinatra gemacht, und daher kann er nur diese gut interpretieren", lasse sich bitte von The Impossible Dream (1966), Something (1970) und Send In The Clowns (1976) eines Besseren belehren, die ihren Reiz vor allem durch die Sinatra würdige dramatische Inszenierung erlangen und ihm dadurch eine gute Plattform geben, zu zeigen, was in ihm steckt und in diesen Zeiten der Wandergitarristen und kompositorischer Schlichtheit allzu selten ans Tageslicht gerufen wird.
In aller Kürze zusammengefasst:
1966 ist das Jahr der großen Veränderungen, ab damals überwiegen Songs, die nicht für einen Mann wie Frank Sinatra gemacht sind. Die künstlerische Qualität und der Einsatz des Sängers steht meines Erachtens in direktem Zusammenhang zur Veränderung des Repertoires von Raffinesse zu Belanglosigkeit. Einige wenige erfreuliche Ausnahmen gibt es selbst in der Phase ab 1966 noch, die zum Großteil aus klassischen Songs alter Façon bestehen, teilweise aber auch jüngere Machwerke beinhalten, welche ihrer Komposition oder ihrem Arrangement nach die Eleganz früherer Zeiten nachempfinden.
Alle treuen Leser möchte ich fragen, ob Sie den Zusammenhang zwischen Darbietungsqualität und Repertoire ebenfalls bemerken, oder er Ihnen gar bereits früher aufgefallen ist. Ausdrücklich spreche ich mit dieser Frage auch Holger an: Du hattest bemerkt, dass es für dich nicht am Repertoire festzumachen sei. Nach der Lektüre der Liste meiner Beispiele (eventuell inklusive akustischer Gedächtnisauffrischung), ziehst du es in Erwägung, deine diesbezügliche Aussage zu revidieren oder einzuschränken; oder bleibt es für dich dabei, dass der gesangliche Niedergang damit rein gar nichts zu tun hat?
Be who you are and say what you feel because those who mind don't matter and those who matter don't mind.
Der von Franz beschworenen Zusammenhang zwischen Darbietungsqualität und Repertoire hat in der Tat eine gewisse Gültigkeit, erklärt manches, aber freilich nicht den gesanglichen Niedergang des Barden auch oder vor allem im schulmäßig technischen Sinn. Dass der Barde in seinen besten Tagen mit der Aufgabe wuchs, kann auf vielen Produktionen der Jahre vor 1965 aufs Allerschönste nachverfolgt werden. Umgekehrt scheint es in der Tat der Fall zu sein, dass Sinatra, wenn er etwa einen Song aufnahm, ohne von ihm wirklich überzeugt zu sein - oben werden von Franz diverse Beispiele gebracht, Strangers In The Night mag das Paradebeispiel sein - nicht mit Leib und Seele bei der Sache war und seinen Job mehr oder weniger lustlos und im Vorübergehen absolvierte, gesangliche Patzer und fehlende emotionale Beiteiligung inklusive.
Nach 1970 beziehungsweise nach 1973 ist dieses Argument aber nicht mehr allein stichhaltig, jetzt nämlich konnte der Song so gut sein wie nur irgendeiner aus den Werkstätten der größten Broadway-Texter und -Komponisten, Sinatras gesangliche Fähigkeiten reichten nicht mehr aus, um ein ersprießliches Ergebnis zu garantieren oder auch nur in den Bereich der Möglichkeit rücken zu lassen. Die 73er-Version von Everything Happens To Me etwa ist schauderhaft, weil sich hier der Barde unmittelbar nach der zweijährigen Pause nicht nur eingerostet, sondern überhaupt all seiner früher ihm zu Gebote gestandenen Mittel verlustig gegangen präsentiert. Es handelt sich hiebei nicht um ein zeitlich begrenztes Phänomen, welches sich nach einer gewissen Aufwärmphase nach der Pause wieder gelegt hätte, sondern bleibt bezeichnend für die gesamte restliche Dauer der Karriere des Barden. Auch die wenigen annehmbaren Songs von Some Nice Things I´ve Missed leiden unter Sinatras stimmlicher Verfassung dermaßen, dass sie schlicht unerquicklich sind - die Stimme war perdu, da lässt sich schwerlich dran rütteln, meine Damen und Herren. Leider zeitigte weiters auch die später stattgefundene Rückbesinnung auf Qualitätssongs keine erfreulichen Ergebnisse mehr - potzdreimaletausend, hören Sie sich etwa The Girls I´v Never Kissed von 1988 an - an sich eigentlich ein Qualitäts-Song, aber Sinatras Verfassung ist schlicht jämmerlich, so absolut entsetzlich, dass einem eingedenk seiner früheren Leistungen im Balladenfach unweigerlich beinahe die Tränen in die Augen steigen - derart bemitleidenswert erscheint uns der Barde in all seiner Hinfälligkeit und entkleidet all seiner früheren Talente. Von der Katastrofe L.A. Is My Lady vier Jahre zuvor mag ich in diesem - wiewohl passenden - Zusammenhang gar nimmer anfangen zu reden, zu oft schon habe ich es gethan, um mich hier nun abermals zu wiederholen.
Kurz und gut: Bislang waren die Anworten auf die Frage scheinbar eher ausweichend, ich jedoch kann die Frage guten Gewissens mit einem Ja oder Nein beantworten, somit also schreite ich zur Beantwortung der folgenden Frage:
Frage: Wäre es in der historischen Gesamtbetrachtung Sinatras nicht besser, die Welt würde die paar wenigen gelungenen Beispiele aus der Post-Retirement-Phase nicht kennengelernt haben, wenn damit gleichzeitig auch die vielen unersprießlichen Beispiele Sinatra´schen Versagens aus dieser Phase nicht entstanden wären?
Antwort: Jawohl, in der Tat.
Der künstlerische Ruf des Barden wäre ohne die unötige Coda in seiner Karriere, nämlich die Jahre 1973-95, ein vielfach besserer - oooohhh, hätte er denselben nicht dadurch befleckt, dass er - obwohl bereits dazu außerstande - seine Sangestätigkeit fortsetzte. Niemals können einige ganz wenige positive Song-Beispiele die vielen unerträglich schlechten Beispiele seines gesanglichen Niedergangs wettmachen, nein nicht einmal ansatzweise kompensieren, meine Damen und Herren. Sinatras Oeuvre der Post-Retirement-Phase ist in Summe völlig unersprießlich, Subjektivität oder persönliche Vorlieben hin oder her - wer den stimmlichen Niedergang nicht bemerken will, muss seine Ohren beim Pfandleiher versetzt haben oder - noch viel schlimmer - die Realität negieren. Teures Publicum, ich bin sicher, die Geschichte wird mir Recht geben. Ich wünsche weiterhin frohes Schaffen an diesem ebenso komplexen wie hochspannenden Thema.
Nun will ich doch die Öffentlichkeit an meinen Überlegungen teilhaben lassen, versuche mich aber dabei im Interesse einer sachlich orientierten Diskussion möglichst konzise zu halten. Scheuen Sie sich nicht, nach Details zu fragen.
Das, was man Frank Sinatra ab 1970 objektiv als nachlassend anlasten kann, ist seine Technik, seine Stimme und seine Ausführung; davon unberührt bleibt sein künstlerischer Vortrag als Ganzes. Technische Perfektion steht nur für den Ästheten in unmittelbaren Zusammenhang zu künstlerischer Meisterschaft. (Randnotiz: Selbst wenn wir diesen Zusammenhang im Sinne einer Arbeitshypothese als gegeben annehmen würden, müsste die Mär von einer vermeintlichen Objektivität zwangsläufig dort an ihre Grenzen stoßen, wo es an das Einziehen der Grenze zwischen "gut und böse" geht. Wenn die Summe der Einzelfaktoren für das Gesamtkunstwerk gelten dürfte, würde man sich spätestens dann zum subjektiven Richter machen, wenn man sich anmaßt, die Grenze des "zu viel/zu schlecht" zu ziehen.) Zurück zum eigentlichen Thema: Das Karge, Verletzliche und Schroffe kann einen ebenso hohen künstlerischen Wert haben - womit wir uns wieder am Rande einer Glaubwürdigkeitsdebatte bewegen. Hätte Francis Sinatra nach seinem Rücktritt vom Rücktritt sich auf Saloon- und Torch Songs spezialisiert, würden wir dann heute hier diese Diskussion führen? Ich verweise einmal mehr auf die Duets-Version von One For My Baby, die sich erst durch die Mitleidenschaft des Sängers zu wahrer Größe aufschwingt (und erinnere im selben Atemzug an die späte Billie Holiday).
Nun, Sinatra hat diesen Weg - zumindest in der Hauptsache - nicht beschritten, sondern viele belanglose Pop Songs gesungen. Dennoch, die Masse an sich zählt nichts, womöglich sind es die wenigen Aufnahmen wie auf "She Shot Me Down" oder vielleicht gar diese eine und einzige Aufnahme von One For My Baby, die ein Weitermachen rechtfertigen. Immerhin hätten wir sie nicht erlebt, wenn Sinatra vorher schon das Handtuch geworfen hätte. Um es auf die Spitze zu treiben, stelle ich die offene Frage in den Raum, ob Sinatras gebrechliche, leidende Überzeugungskraft der späten Jahre eventuell nicht in diesem Maße vorhanden gewesen wäre, wenn er sich nicht durch Strangers, My Way und oh so many others gequält hätte. (Zyniker sind Realisten, die sich trauen, die Wahrheit zu sagen. -- Sir James Bacon)
Sicher hätte ich gerne auf das eine oder andere allzu poppig angehauchte Album verzichtet, wenn wir stattdessen noch ein, zwei, drei besser passende Alben erlebt hätten. Angel Eyes, Autumn Leaves, All Alone ... das wären Titel gewesen, die dem gezeichneten Post-Retirement-Sinatra wahrhaft gut zu Gesicht gestanden hätten. Und es gibt so einige, die es gar nicht erst ins Repertoire geschafft haben (welche fallen Ihnen dazu ein?). Hätte er die Aussage ernst genommen, im Grunde seines Herzens ein Saloon Singer zu sein - eventuell noch um Jazzballaden erweitert - und nicht versucht, sich dem populären zeitgenössischen Musikgeschmack zu unterwerfen, dann glaube ich hätte er noch viel Großes zustande gebracht. Sie sehen, meine Damen und Herren, ich führe es wieder auf die Titelauswahl zurück, dass uns heute der späte Sinatra in einem allzu schlechten Licht erscheint.
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"Das, was man Frank Sinatra ab 1970 objektiv als nachlassend anlasten kann, ist seine Technik, seine Stimme und seine Ausführung; davon unberührt bleibt sein künstlerischer Vortrag als Ganzes. Technische Perfektion steht nur für den Ästheten in unmittelbaren Zusammenhang zu künstlerischer Meisterschaft."
Meine Damen und Herren, das kann und mag ich so nicht im Raume stehen lassen, in manchen Einzelfällen sprich Künstlern mag man sich die Dinge so zurechtbiegen können - aber meiner Ansicht nach nicht im Falle Sinatras. Der Barde wurde zu The Voice, nicht nur wegen seines Vermögens den Zuhörer emotional zu berühren, sondern auch und vor allem wegen seiner gesanglichen Fähigkeiten im Sinne schulischer Meisterschaft und technischer Perfektion. Mit diesen Eigenschaften ist der Barde in der Erinnerung des Zuhörers unweigerlich verbunden - mit seinen grandiosen Darbietungen musikalischen Materials in der Zeit von 1939-65, sodass alles was danach kam, unweigerlich als Verschlechterung empfunden werden muss, späthin geradewegs bis zur Unerträglichkeit im Vergleich mit des Barden früheren Leistungen. Und jeder Künstler wurde und wird immer auch an dem gemessen, was er in der Vergangenheit geleistet hat. Ein Sinatra mit den stimmlichen Fähigkeiten von 1973 hätte - bei allem Respekt, meine Damen und Herren - vermutlich keine Plattenfirma gefunden, die ihn unter Vertrag genommen hätte, wäre er nicht damals schon eine legendäre Figur des Show-Business gewesen. Anders als bei einem Bob Dylan oder Tom Waitts und vielen anderen war Sinatras Markenzeichen lange Jahre die Makellosigkeit seines Vortrages.
Nachdem dieses wichtigste Fundament seiner Kunst nach 1970 zusammengebrochen war, fällt es naturgemäß vielen Hörern schwer in des Barden Oeuvre noch Ersprießliches zu entdecken. Auch die Repertoire-Auswahl mag hier eine Rolle spielen, aber im Grunde geht es immer um die gesanglichen Fähigkeiten des Barden - in den 40er und 50er Jahren konnte Sinatra manch seichten Song durch die absolute Souveränität, mit welcher er über die ihm zur Verfügung stehenden Mittel gebot, zumindest vor der Durchschnittlichkeit bewahren, oft sogar zum Kunstwerk erheben. Später mit nachlassender Stimme gelang ihm dies naturgemäß nicht mehr und oft erleben wir in der Zeit nach 1965 unpassendes oder minderwertiges Songmaterial gepaart mit versagender Stimme, eine naturgemäß geradezu tödliche Kombination, meine Damen und Herren.
Auch bin ich nicht der Ansicht, dass Sinatra nach 1970 mit der ausschließlichen Aufnahme von »Qualtitäts-Songs« noch hätte punkten können - es gibt zu viele Beispiele, wo ihm eben dies mangelnder gesanglicher Fähigkeiten nicht mehr gelang - hören Sie etwa Just As Though You Were Here aus 1974, um nur ein besonders augenfälliges Beispiel herauszugreifen - oder die Handvoll »Ladies-Songs« von 1976/77. In manchen Fällen mag die Hinfälligkeit der Stimme überraschend »positive« Nebeneffekte gezeitigt haben, aber dies ist sehr selten, zu selten, um eine Fortführung seiner Sanges-Tätigkeit zu rechtfertigen. Würde Sinatra nun die Gebrechlichkeit und das stimmliche Versagen mangels Alternative als primäres Gestaltungselement in qualitativ hochwertigen Songs und Alben verwendet haben, würde der Effekt, der in diesem und jenem seltenen Einzelfall für manche Hörer positiv ausfällt, sich aber sehr rasch und sehr stark abgenutzt haben. Gebrechlichkeit als alleiniges Stilmittel ist sicherlich nicht ausreichend, nicht wenn man eine musikalische Vergangenheit wie Sinatra im Hintergrunde hat. Was vielleicht zunächst noch anrührend wirken mag, geht alsbald in Langeweile über. Ein ganzes Album im Stile von One For My Baby in der 93er-Fassung wäre der Allgemeinheit vermutlich kaum zumutbar. Überdies hat die Gebrechlichkeit und Hinfälligkeit als reines Stilmittel eingesetzt, geradewegs exhibitionistische Züge. Franz, deine Argumentation hört sich in manchen Teilen fast an wie jene gewisser betriebsblinder Fanatiker, die nach jedem Strohhalm greifen, um damit das sinnlose Weiterführen von Sinatras überstandener Karriere nach 1970 zu rechtfertigen. Zwei positive Beispiele vermögen nichts auszurichten gegen zwanzig negative.
"Um es auf die Spitze zu treiben, stelle ich die offene Frage in den Raum, ob Sinatras gebrechliche, leidende Überzeugungskraft der späten Jahre eventuell nicht in diesem Maße vorhanden gewesen wäre, wenn er sich nicht durch Strangers, My Way und oh so many others gequält hätte."
Das wiederum halte ich in der Tat für eine doch überspitzte und zu verklärende Sichtweise.
Ganz deiner Meinung bin ich, dass Sinatra speziell in den Jahren 1965-70 mit dem Bestreben, kommerziellem Erfolg hinterherzuhecheln, enorm viel Zeit vergeudet hat, gerade in diesen wenigen Jahren war seine Stimme, gleichwohl schon merklich angegriffen, durchaus noch für erfreuliche Leistungen gut - siehe Jobim und Ellington, zum Teil wohl auch A Man Alone.
Franz, deine Argumentation hört sich in manchen Teilen fast an wie jene gewisser betriebsblinder Fanatiker, die nach jedem Strohhalm greifen, um damit das sinnlose Weiterführen von Sinatras überstandener Karriere nach 1970 zu rechtfertigen.
Holger, wertest du etwa meine Meinung?
Zwei positive Beispiele vermögen nichts auszurichten gegen zwanzig negative.
In diesem Punkte bin ich entschieden anderer Ansicht. Und darum werde ich es mir in nächster Zeit zur Aufgabe machen, eine Zusammenstellung meiner persönlichen Höhepunkte aus dem Oeuvre von Sinatra ab 1965 zu erstellen. Die Liste wird sicherlich nicht lang sein, aber keinen der dort genannten Songs möchte ich missen, auch wenn er durch hundert (mir persönlich als solche erscheinende) Fehlgriffe erkauft sein mag.
Überdies hat die Gebrechlichkeit und Hinfälligkeit als reines Stilmittel eingesetzt, geradewegs exhibitionistische Züge.
Solche hat hoffentlich jegliche künstlerische Äußerung - außer vielleicht dem volkstümlichen Schlager, und dort endet manche Karriere nicht umsonst in Drogen, mit einem Sprung aus dem Fenster oder dem Absetzen lebensnotweniger Medikamente in einer Fischerhütte. Der Künstler, der nicht zu jeder Zeit in seinen vorgetragenen Emotionen (Freude wie Leid) exhibitionistisch agiert, ist nicht einmal ein Schauspieler, sondern ein Schmierenkomödiant, der sein Publikum zum Narren hält.
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Ich werte deine Meinung nicht, sondern beschreibe nur die Wirkung auf meine Person. Da wir uns aber (s.o.) bei diesem Thema ohnedies einvernehmlich von der Objektivität verabschiedet haben, würde auch eine Wertung der Meinung erlaubt sein.
Das Argument der exhibitionistischen Züge im Werk des Künstlers mag ein gewisses Gewicht haben, im Falle Sinatras vielleicht weniger, da er ausschließlich Fremdmaterial interpretierte - wohlan, man mag aber durchaus sagen, er habe sich diese zu eigen gemacht wie kaum ein anderer.
Sinatra war allerdings ein Mann der Vitalität und wie vieles hindeutet, sogar von einer gewissen Lebensgier erfüllt und inwiefern er willentlich und wissentlich seine schließliche Hinfälligkeit und Invalidität einem breiten Publicum präsentieren wollte (etwa eben in Form eines mit gebrechlicher, altersbedingt versagender Stimme vorgetragenen kompletten Albums) bleibt natürlich fraglich.
Sinatra war allerdings ein Mann der Vitalität und wie vieles hindeutet, sogar von einer gewissen Lebensgier erfüllt und inwiefern er willentlich und wissentlich seine schließliche Hinfälligkeit und Invalidität einem breiten Publicum präsentieren wollte (etwa eben in Form eines mit gebrechlicher, altersbedingt versagender Stimme vorgetragenen kompletten Albums) bleibt natürlich fraglich.
Er hat sie aufgenommen, und er hat sie nach der Aufnahme geprüft und der Öffentlichkeit freigegeben. Dass er das, was ihm nicht zusagte, durchaus zurückhielt, wissen wir von ihm; siehe etwa The Sea Song. In seinen 60ern und 70ern dürfte er kaum derart geistig umnachtet gewesen sein, dass man ihm unterstellen müsste, er hätte nicht gewusst, was er tat.
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Ich bezog mich auf ein Torch-Song-Album im Stile von One For My Baby in der Art von 1993, ich denke Sinatra hätte sich so einem Projekt verweigert. Er hat meines Wissens nach auch etwa 1974 ein Torch-Song-Album abgebrochen und ich möchte fast wetten, der Grund war die stimmliche Verfassung des Seniors.
Viele andere experimentelle Alben hat Sinatra der Ältere dennoch gewagt (Ellington, Watertown, Jobim, A Man Alone), auch wenn sie seiner stimmlichen Verfassung teils noch weniger schmeicheln als Torch Song-Zusammenstellungen. Meinst du also, dass er bei den Projekten, die ihm wirklich am Herzen lagen, einen höheren Maßstab angesetzt hat und sie deshalb nicht herausgebracht hat? Im Umkehrschluss, dass das, was er produziert hat, ihm nicht ganz so wichtig war? (Nach 1975 nur noch bewusste B-Ware?)
Ich halte eine spätere Abkehr vom für die früheren Jahre so kennzeichnenden Perfektionismus durchaus für denkbar.
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Ich möchte meinen, der Barde war nach 1970 zunehmend vom Zustand seiner Stimme verunsichert (wer, wenn nicht er wusste um den zunehmenden Abbau). Zusätzlich plagte ihn die Frage, welche Songs er denn nun aufnehmen sollte, nachdem die Nachfrage nach Standards des Great American Songbook mehr und mehr im Schwinden begriffen war. So wandte er sich zunehmend dem Covern von Pop-Songs zu, welche jedoch, im Falle dass sie als Singles erschienen, keinerlei Erfolg verzeichneten. Und bei diesen Songs, meine Damen und Herren, möchte ich meinen, dass Sinatra einerseits schlecht bei Stimme andererseits durch die Seichtigkeit des Materials persönlich kaum mehr als oberflächlich beteiligt war, sich schlicht wenig Mühe gab.
Das Comeback-Album Ol´ Blue Eyes Is Back mag ihm vielleicht noch am Herzen gelegen sein, allein das Songmaterial passte wenig zum Barden und seine Stimme schien seit 1970 nicht um zwei, sondern um zwanzig Jahre gealtert.
Some Nice Things I´ve Missed hört sich großteils uninspiriert und schlampig an, an diesem Album mag ihm in der Tat nicht viel gelegen sein. Selbiger Befund kann auf so gut wie alle weiteren Single-Aufnahmen bis 1979 geltend gemacht werden.
Trilogy zeigt den Barden dann erstmals wieder mit Herzblut bei der Sache, auch stimmlich verbesserte er sich kurzfristig - dennoch hat auch Trilogy teilweise mit den alters- und lebensbedingten stimmlichen Unzukömmlichkeiten zu kämpfen. She Shot Me Down mag dem Barden ein Anliegen gewesen sein, aber das Songmaterial ist großteils schwach, des Barden Stimmprobleme auf einigen Titeln tun ihr Übriges.
L.A. Is My Lady ist katastrophal - die Stimme scheint den Barden völlig verlassen zu haben und mit ihr jede emotionale Beteiligung. Das Album erweckt durchaus den Eindruck, als habe Sinatra sich - abseits seiner Stimmprobleme - für das Projekt insgesamt wenig interessiert. Sein Vortrag wirkt gelangweilt.
Zu Duets erübrigt sich jeder Satz: Man musste Sinatra monatelang breitschlagen, bis er sich endlich bereit fand, ins Studio zurückzukehren - nach fast zehn Jahren, in denen er kein Album herausgebracht hatte. Diese Pause gründet sich in erster Linie auf die immer mehr verblassenden stimmlichen Fähigkeiten (der Barde wusste Bescheid, wer wenn nicht er) sowie wohl auch auf die Tatsache, dass die Alben welche zuvor erschienen waren, keinen sonderlichen Erfolg verzeichnen konnten und mit Konzert-Tourneen in der Tat mehr Geld zu verdienen war als mit einer neuen Platte, die einerseits mit einiger Sicherheit von der Kritik zerrissen worden wäre und kommerziell wenig einträglich gewesen wäre. Warum, mag sich der Barde gedacht haben, soll ich mich für ein neues Album, das sich auch noch schlecht verkauft, schmähen lassen?
Bei den abgebrochenen Projekten der 70er und 80er Jahre - nicht wenige übrigens - mag es sich mitunter um Projekte gehandelt haben, welche Sinatra am Herzen lagen und die er mit seiner stimmlichen Unpässlichkeit nicht ruinieren wollte, sie daher ad acta legte. Vom Perfektionismus früherer Jahre verabschiedete sich Sinatra vor allem nach dem Comeback zwangsläufig, er musste ja froh sein, überhaupt irgendetwas zustande zu bringen, sodass er und die Produzenten sich wohl mit beinahe jedem Ergebnis zufrieden gaben, beziehungsweise das Ergebnis gleich überhaupt im Archiv versteckten.
Überhaupt möchte ich meinen, dass sich Sinatra im zunehmendem Alter im Aufnahmestudio eher unwohl fühlte und die Anstrengungen mehr und mehr zu scheuen begann - vor allem auch im Hinblick darauf, dass das Ergebnis ohnehin höchst zweifelhaft ausfallen würde.
Meine Damen und Herren, des Öfteren habe ich zu diesem Thema geäußert, dass es vom Post-Retirement- Sinatra nur rund zehn Titel gäbe, die als gelungen zu bezeichnen wären, jedoch habe ich derer, wie mir scheint, keine Erwähnung getan.
Dies hole ich hiemit nach - hier finden Sie eine Liste der meines prinzipalen Urteils nach annehmbaren Alterswerke des Barden. Annehmbar und und für sein hohes Alter recht gelungen, teils sogar sehr gut gelungen. Vergleiche mit früheren Leistungen sollten aber dennoch nicht angestellt werden. Auch sind auf dieser Liste mehr als zehn Songs versammelt - aus dem Grund, dass ich bei dieser selbst erstellten Kompilation eine vernünftige CD-Laufzeit herausholen wollte, dadurch finden Sie auch einige Songs darauf, die ich vielleicht nur als etwa zu 60-70 Prozent als gelungen bezeichnen möchte. Wohlan, dies also wären gewissermaßen die Rosen im Post-Retirement-Unkraut.
Deine Liste ist imposant, wenn auch für meinen Geschmack etwas kurz geraten. Insbesondere beim ersten Teil von Trilogy hätte ich nicht so viel ausgespart. Vielleicht lag die editoriale Strenge auch daran, dass alles auf eine einzelne CD passen sollte. Für zwei wäre es vermutlich dann doch zu wenig gewesen.
Mit Here's To The Band will ich so gar nicht recht einverstanden sein. Ich finde die Nummer überhöht sentimental, und Sinatras Stimme wird ihr nach meinem Empfinden auch nicht mehr gerecht. Auf L.A. is My Lady gibt es wirklich nicht viel Gutes, Here's To The Band gehört meiner bescheidenen Meinung nach auch nicht dazu, vor allem nicht gemessen an (z. B.) Street of Dreams, Let's Face The Music and Dance oder They All Laughed (alle 1980), die du allesamt nicht berücksichtigt hast.
Be who you are and say what you feel because those who mind don't matter and those who matter don't mind.
Wertes Publicum, dies ist eine der fruchtbarsten und ersprießlichsten Diskussionen in der Historie dieser Einrichtung - derohalben ich mir jetzten auch erlaube, dieses Thema wieder nach oben zu befördern, gleichwohl zumindest ich derzeit meinen Ausführungen nichts Wesentliches hinzuzufügen habe. Der Gehalt der Diskussion rechtfertigt jedoch meine Maßnahme - Sternstunden des Forums sollten nicht dem Vergessen anheimfallen. In diesem Sinne meine Hochverehrten.
Sehr geehrte Damen und Herren Leserinnen und Leser - Sie befinden sich in einer Kommunikationseinrichtung, welche den ENTERTAINER OF THE CENTURY (mit anderen Worten SINATRA, SINATRA und nochmals SINATRA) in ersprießlicher Weise thematisiert wissen möchte. Geschätztes Publicum: Diese Einrichtung ist in der Tat so hochgradig erquickend, so ungemein gastlich, der Wohlfühlfaktor so enorm hoch, dass es kurzum nichts Geringeres denn eine wahre Lust ist, sich hierorts aufzuhalten und sich durch die mannigfaltigen Rubriken zu bewegen! Sehen Sie sich gut und in aller Ruhe um und Sie werden - darauf mein Wort - nicht umhinkommen zu sagen: "Hier ist es schön, hier will ich bleiben."
*** Wertes Publicum: FRAU CHARLOTTE ROCHE ist eine GÖTTIN - eine WAHRE GÖTTIN ***