Einen weiteren musikalischen Tipp erlaube ich mir Ihnen, geneigtes Publicum, heutigentages zu kredenzen:
Sonnabend, 26. August Zwotausenduhrsechs Drey Uhr Nullnull – Vier Uhr Dreißig 3SAT Bill Ramsey Meets Thilo Wolf Big Band
Freilich ist Ihnen Bill Ramsey als fülliger Schlageronkel aus unsäglichen Filmklamotten der Funfziger-Jahre bekannt (oder auch nicht, was aber kein Schaden wäre). Zu seinen zweifelhaften künstlerischen Erfolgen gehören Lieder wie „Ich tanze gerne Sauerkraut und esse gerne Polka“ (oder war das Gus Backus, Sie werden verzeihen, wenn ich in diesem musikalischen Bereich nicht ganz sattelfest bin), „Der Wumbatumba Schokoladeneisverkäufer“ „Pigalle, Pigalle“ und dergleichen mehr. Nun gut, Sie sagen jetzt verständlicherweise „Bääääääääääääähhhh – ja das ist dieser dicke Schlagerheini, ach du liebes Gottchen...“
Wohlan, nicht alle Menschen – Sie vielleicht einmal ausgenommen – wissen, dass Herr Ramsey neben seiner Tätigkeit als Schlagersänger schon immer ein ausgesprochenes Naheverhältnis zum Jazz und Blues hatte und in der Tat noch hat – der gerade vor wenigen Wochen funfundsiebenzig Jahre alt gewordene Ramsey hat erst kürlich ein Big-Band-Album eingespielt, und zwar eine Hommage an den von Count Basie her bestens bekannten Sänger Joe Williams.
Zu oben angegebenem TV-Termin erleben Sie Bill Ramsey zusammen mit der Thilo-Wolf-Big-Band und der noch immer sehr agile Senior wird Ihnen beweisen, dass er noch immer ein sehr kompetenter Jazz- und Blues-Sänger ist. So Sie nicht unter Schlaflosigkeit leiden oder vielleicht spät von einer Vergnügung ins traute Heim zurückkehren, rate ich dringend ein Aufzeichnungsgerät entsprechend zu programmieren, es wird Ihr Schaden nicht sein und hinterher sind Sie womöglich um ein paar Vorurteile Ramsey betreffend ärmer.
Ergreifen Sie die Gelegenheit und schildern Sie hinterher Ihre Eindrücke hier an diesem hochgastlichen Ort.
gestern / heute Nacht hatte ich das Vergnügen, Holgers Empfehlung folgend Bill Ramsey anzusehen. Das Resultat war, ich will es nicht verhehlen, eine große Enttäuschung.
An Kritikpunkten sind mir einige aufgefallen:
Da wäre zunächst Ramseys Stimme, die im Alter gar nichts Besonderes mehr ist. Stellt man einen x-beliebigen Alleinunterhalter mit vierzig Jahren Show-Routine vor eine solche Big Band, wird das Ergebnis nicht viel schlechter ausfallen. Wenn er gewisse Töne nicht so getroffen hätte, wie sie gemeint waren, dann könnte man es immer noch bestenfalls als jazzige Interpretation auslegen. Aber wenn die Melodie regelmäßig derart entstellt wird, ist es auch zu einem Gutteil auf gesangliches Unvermögen zurückzuführen, das mit spielerischen Jazz-Elementen zu kompensieren versucht wurde.
Weiterer großer Kritikpunkt, der eng mit dem zusammenhängt, was ich eben gesagt habe: Ramsey fehlt jegliches Gefühl für Diktion. Er rutscht allzu leicht ins Marktschreierische. So betrachtet ist Bill Ramsey ein "echter Heuler". Was bei "Souvenirs, Souvenirs" noch passte, muss nicht gut für "Indiana" sein. Vor allem, wenn das Geschreie und das Knödeln absolut unmotiviert passiert, an Stellen, wo es von der Aussage des Songs überhaupt nicht unterstützt wird; das klingt dann schnell nach Holzhammer-Effekthascherei um zu zeigen, was man doch für eine wandlungsfähige Stimme hat, auch wenn die Interpretation dem Material zuwider läuft. Die Jazzer werden mir wieder entgegenhalten, dass man Diktion auch rein an der Melodie festmachen kann. Ich sage, natürlich kann man das, es muss aber nicht jedem gefallen.
Das Songmaterial war auch nicht gerade das, was man als handverlesenes Bouquet an Perlen des Jazz bezeichnen würde. Ich selbst weiß zu wenig über Jazz, um zu beurteilen, welche der Songs tatsächlich Standards waren. Was ich mir jedoch sehr wohl zu beurteilen anmaße, ist die Einfallslosigkeit in den Kompositionen. Hier ein 12-taktiker Blues der ganz nach der Schema F Blues-Kadenz (oder wie ihr Musiker das auch immer nennen mögt) konstruiert ist, da eine 6-taktige schnelle Rock n Roll-Adaption, die so vorhersehbar ist wie das Gesamtwerk von Little Richard. Alles viel zu durchschaubar konstruierte Songs, keine Spur von raffinierten kompositorischen Kunstrgiffen. Keine ungewöhnlichen melodischen Wendungen, die unter die Haut gehen, nicht einmal ein Hauch von Gershwin oder Porter (sollten doch vereinzelt Werke der Großen vorhanden gewesen sein, ich lasse mich gerne belehren, sind diese vollkommen untergegangen).
Was das Ganze noch verschlimmert, sind die absolut lieblos hingeknallten Arrangements. Wir Padrone-Fans sind zwar durch Nelson Riddle, Axel Stordahl und Billy May ziemlich verwöhnt, aber das was wir von Thilo Wolf geboten bekommen haben war so profillos, ich wiederhole mich: so austauschbar. Nach dem Motto "Alles muss zusammen passen" wurden zu Allerweltsnummern auch noch Allerwelts-Arrangements verwendet, bar jeglicher künstlerischen Persönlichkeit. Damit die Sache möglichst beeindruckend wirken sollte, hier und da mal ein ambitioniertes Saxophon-Solo, aber von der Art, die man unter der Rubrik "Improvisieren nach Lehrbuch" finden könnte: "Möglichst schnelle Läufe in der richtigen Tonart erzeugen beim Publikum beachtlichen Eindruck" - denkste, das macht doch jeder; plumpe Effekthascherei auf Kosten der Schönheit. Wenn man eine Improvisation so gestaltet, dass sie "vertraut nach Improvisation" klingt, dann wird meines Erachtens der Sinn der Sache nicht ganz erfasst. Der Eindruck, der musikalische Hintergrund entbehre jeder Persönlichkeit, wurde somit noch verstärkt. Ebenso wie Ramsey versucht auch Thilo Wolf, es dadurch zu richten, dass er möglichst viele Free-Jazz-Elemente einbaut. Aber das ist nun auch kein Allheilmittel und geht bei zu extensivem Einsatz leicht zu Lasten der Ästhetik, wenn man es mit der Verfremdung zu sehr übertreibt.
In der Gesamtbetrachtung fällt außerdem auf, dass sich durch das Programm kein roter Faden im Sinne eines Konzeptes zieht. Die Aneinanderreihung der Titel wirkt beliebig, querbeet. Scheinbar reicht heutzutage schon das ach so exotische Gebiet des Jazz, um der Sache einen Rahmen zu geben. Mir persönlich ist das zu wenig. "Immer noch besser als gar kein Jazz" rechtfertigt meiner Ansicht nach nicht so eine Produktion. Mit eineinhalb Stunden war das Programm, zumal es kein erkennbares Konzept hatte, auch entschieden zu lang angelegt. 45 bis maximal 60 Minuten wären angemessen gewesen. Dass ich ohne bösen Willen während der letzten Viertelstunde eingeschlafen sein muss, spricht ohne Kommentar für sich.
Vielleicht liege ich in den Augen des Experten mit meiner Argumentation falsch, meine Kritik ist meiner eigenen unbedarften Betrachtung entwachsen. Von dieser Warte aus entsteht en gros der Eindruck, dass dieser Produktion hauptsächlich das Herzblut abgeht. Alles wirkte wie Business as usual, lasst uns die Show durchackern. Wenn Musik ohne besondere Leidenschaft gemacht wird, fällt es immer auf. Leider ist das unter heutigen Verhältnissen allerdings die Regel, so dass man aus realistischen Gesichtspunkten diesen Kritikpunkt gar nicht mehr bringen dürfte. Wer geht schließlich heute noch mit Passion zu Werke?
Den Tenor meiner Beobachtungen möchte ich abschließend so zusammenfassen: Es darf nicht sein, dass jeder, der es heutzutage überhaupt wagt, so eine hehre und spezielle Mission wie den Jazz zu unternehmen, damit automatisch über jegliche subjektive wie objektive Kritik erhaben wird. Jazz wird nicht von Haus aus dadurch gut, dass man ihn in diesen Zeiten noch praktiziert.
Um mit einem Goethe-Wort zu schließen: Doch werdet ihr nie Herz zu Herzen schaffen, Wenn es euch nicht von Herzen geht. (Faust, Vers 544 f.)
If you see me coming better step aside A lot of men didn't and a lot of men died I got one fist of iron and the other of steel If the right one don't get you then the left one will
Ich habe es mir heute Nachmittag angesehen und war sehr angetan. Ramsey wurde mit der Zeit immer besser, man könnte sagen, er hat sich eingegroovt.
Was Franz hier beschriebt, ist eigentlich nichts neues. Hier wurde klassischer Jazz gespielt, ein Genre, das einfach bis zum Geht-Nicht-Mehr ausgelutscht ist. Man könnte so gesehen auch von einer toten Musikart sprechen. Immerhin, dieser Jazz lebte immerhin viele Jahrzehnte, der Rock 'N' Roll war zum Beispiel innerhalb weniger Jahre verblichen... Wenn man bei immer wie Sonntags mal Peter Kraus sieht, lebt das nur von der Nostalgie. Also von so einem Konzert etwas radikal neues zu erwarten ist völlig überzogen.
Allerdings war dies doch wirklich nicht schlecht, im Gegenteil, Thilo Wolf gehört zu den Meistern seines Faches und Bill Ramseys Stimme lieferte doch wirklich sehr solide Arbeit ab. Besonders die bluesigen Songs kamen ihm, wie ich finde, besonders zustatten. Bei den Up-Tempo-Nummern wurde er oftmals von der mitreissenden Band und den Solisten an die Wand gespielt.
Was man auch nicht vergessen darf, ist, dass gerade ein Jazz-Konzert seine wahre Magie nur entfaltet wenn man live dabei ist. Richtiger Jazz ist trotz allem eine Musikart, die besonders von Live-Atmosphäre und der Magie bzw. dem Groove des Momentes liegt. Das geht bei so einer Konserve natürlich verloren... Thorsten Bode
"May you all live to be 150 years old, and may the last post you read be mine!"
Zu Onkel Bills Stimme und Qualitäten: Sein Organ wirkt auf manch Ohr sicherlich zunächst einmal etwas gewöhnungsbedürftig. Meiner Treu! Das Geknödel ist eines von Onkel Bills Hauptmerkmalen, neben ein bis zwei anderen oft wiederkehrenden Manierismen, deren Ursprung mir hauptsächlich bei Billie Holiday zu finden sein scheinen. Den Vorwurf einer gewissen Marktschreierei halte ich zum Teil für sehr berechtigt, in dieser Hinsicht ist es mitunter tatsächlich zu viel des Guten. Für Jazz und besonders für bluesige Nummern eignet sich seine expressive Stimme abgesehen davon durchaus – ich denke nicht, dass er aus schnödem Unvermögen „falsche“ Töne produziert, sondern das Material eben ein wenig „verbiegt“, durchaus und gerade im Sinne einer jazzmäßien Expression. Onkel Bill war zum Zeitpunkt des Konzerts bereits einundsiebenzig Jahre alt – mit anderen Worten ein Greis - und hat sich dennoch ganz wacker geschlagen (sicherlich nicht einfach, wenn einen die Band wie in diesem Fall oft genug lautstark „zudeckt“).
Zu den Songs des Konzertes: Das Programm war in der Tat ein Gemischtwarenladen. Uralte Rhythm & Blues-Titel wechselten sich mit Pop-Nummern wie „You´ve Got A Friend“ und „Just The Way You Are“ ab. So richtig zusammen geht das dann freilich nicht. Dass von großen Standards des American Songbook nicht viel, eher gar nichts zu bemerken war, liegt wohl daran, dass Onkel Bill und die Band ihre damals aktuelle CD vorstellten, welche den Titel „Bill´s Big Band Boogie“ trug. Somit wird die musikalische Richtung deutlich – man hat sich an den Harlem-Jump-Big-Bands der 30er-50er-Jahre orientiert. Diesen Bands ging es nicht so sehr um gefinkelte und raffinierte Arrangements von Standards aus der Feder weißer Musical-Autoren, sondern um griffige, expressive Musik. Die Rhythm & Blues Big Bands jener Zeit waren fast - wenn nicht überhaupt - ausschließlich von Farbigen besetzt und geleitet und diese schätzten vielleicht die weißen Songschreiber auch gar nicht besonders und wollten diese Nummern nicht singen (?). Somit gab es also bei Onkel Bills Veranstaltung viel typische Boogie-Dynamik und Rhythm & Blues- Songs zu hören, eine vordergründige und effektvolle Musizierweise, die eher für den Bauch als für den Kopf exerziert wird. Das wirkt dann auf manche Hörer mitunter auch etwas grobschlächtig und erinnert fallweise an den Holzhammer. Die Arrangements wirkten in der Tat etwas simpel und wenig raffiniert, was aber auch eine Eigenart des Stils ist, welchem sich Sänger (Onkel Bill) und Band (Thilo Wolf Big Band) zumindest für dieses Programm verschrieben haben.
Rund funfzig Minuten des Programms fand ich durchaus in der Ordnung und fand ein offen geneigtes Ohr, rund ein halbes Stündchen sagte mir weniger zu, hier vor allem die Pop-Songs, die man versuchte im Big-Band-Gewand aufzumöbeln – das ging fallweise schon sehr ins seichte Allerwelts-Gefilde. „Three Times A Lady“ in einem Programm mit „St. Louis Blues“ und „Georgia On My Mind“ zu bringen, war das eine gute Idee? Ich zweifle, Onkel Bill.
Alles in allem ein Programm, das seine Wurzeln eindeutig nicht in der weißen Tanzorchester-Tradition sondern in der schwarzen Rhythm & Blues-Tradition hatte, teils arrangementmäßig recht hemdsärmelig, mitunter wenig elegant und unter der Devise „laut ist gut“ daherkam. Eben „Big Band Boogie“. Bill Ramsey sah sich eindeutig in der Tradition von stimmgewaltigen Big-Band-Blues-Shoutern wie Joe Williams. Die Band machte effektvoll Druck, wodurch für raffiniertete, fein abgestimmte Nuancierungen meist wenig Platz blieb, die Solisten lieferten dafür solides Handwerk, der Sänger – also Onkel Bill – mühte sich redlich und war durchaus beherzt bei der Sache. Ob man seine Stimme und Technik mag, muss jeder Hörer selbst entscheiden (Ich kann sie aushalten). Die Pop-Songs sollten dem Ganzen wohl einen etwas moderneren Anstrich verleihen, erschienen mir aber eher deplaziert und wären besser durch Swing-Titel ersetzt worden. Meine Damen und Herren, soweit meine Sicht der Dinge.
ich habe es mir hier gemütlich gegen 21 Uhr angesehen und angehört. Schön gemütlich Rückenlehne vom Bett hochklappen, Apfelschorle und ne würzige Kippe.
Sehr geehrte Damen und Herren Leserinnen und Leser - Sie befinden sich in einer Kommunikationseinrichtung, welche den ENTERTAINER OF THE CENTURY (mit anderen Worten SINATRA, SINATRA und nochmals SINATRA) in ersprießlicher Weise thematisiert wissen möchte. Geschätztes Publicum: Diese Einrichtung ist in der Tat so hochgradig erquickend, so ungemein gastlich, der Wohlfühlfaktor so enorm hoch, dass es kurzum nichts Geringeres denn eine wahre Lust ist, sich hierorts aufzuhalten und sich durch die mannigfaltigen Rubriken zu bewegen! Sehen Sie sich gut und in aller Ruhe um und Sie werden - darauf mein Wort - nicht umhinkommen zu sagen: "Hier ist es schön, hier will ich bleiben."
*** Wertes Publicum: FRAU CHARLOTTE ROCHE ist eine GÖTTIN - eine WAHRE GÖTTIN ***