Rund zwei Jahre nach seinem Rückzug aus dem Show-Geschäft geriet Sinatras Entschluss bereits wieder ins Wanken und so begab er sich denn also im Sommer 1973 zusammen mit seinen Arrangeuren Gordon Jenkins und Don Costa zurück ins Aufnahme-Studio, um sein Comeback-Album einzuspielen: Ol´ Blue Eyes Is Back . Mit dieser Platte läutete Sinatra den letzten und – nicht nur aus meiner persönlichen Sicht – umstrittendsten Abschnitt seiner langen Karriere ein. Mehr als zwanzig Jahre sollte er noch aktiv am Musikgeschäft teilhaben, wenngleich in dieser Zeit kaum noch neue Alben entstanden.
Diese anno 1973 entstandene erste Produktion nach dem Retirement hinterläßt einen überaus zwiespältigen Eindruck, meine Ansichten dazu können Sie – so Sie Interesse daran haben – auf meiner HP nachlesen, indem Sie der Linkfolge Diskografie – Ol´ Blue Eyes Is Back nachgehen.
Das Album wurde bei Sessions im Juni und August 1973 eingespielt und weist im Sound massive Zugeständnisse an den musikalischen Zeitgeist jener Tage auf. Neben den weiter unten aufgeführten Titeln wurden auch folgende Nummern aufgenommen, welche jedoch seinerzeit nicht für das Album verwendet wurden und welche nunmehr auf der kolossalen 20-CD-Edition „The Complete Reprise Studio Recordings“ nachgehört werden können:
Bang Bang (My Baby Shot Me Down) The Hurt Doesn´t Go Away Empty Tables Walk Away
Diese Titel wurden allesamt von Gordon Jenkins arrangiert.
Das Album wurde im September 1973 auf dem Label Reprise veröffentlicht und erreichte Rang 13 der amerikanischen Billboard-Charts, ein Ergebnis welches je nach Standpunkt als akzeptabel angesehen werden oder auch als Misserfolg gedeutet werden kann.
You Will Be My Music You´re So Right Winners Nobody Wins Send In The Clowns Dream Away Let Me Try Again There Used To Be A Ballpark Noah
Wie immer darf ich Sie nunmehr also dazu einladen, sich etwas näher mit dem Thema zu beschäftigen und mit Ihren Beiträgen zu einer ersprießlichen und unterhaltsamen Diskussion beizutragen, teilen Sie uns Ihre Ansichten zu „Ol´ Blue Eyes Is Back“ mit, liefern Sie zusätzliche Informationen und erwähnen Sie gegebenenfalls auch Interpretationen von Songs dieses Albums, die Ihnen vielleicht von anderen Künstlern her geläufig sind – zumindest von „Send In The Clowns“ gibt es eine stattliche Anzahl von Aufnahmen anderer Interpreten. Je nun, unser neues Thema erscheint mir besonders geeignet für eine vielschichtige Diskussion – werte Leserin, werter Leser, ich ersuche Sie sich an die Tasten zu begeben.
Meine Damen und Herren, ich denke es ist in der Tat hoch an der Zeit, die Diskussion zu diesem Album erneut zu beleben - eigentlich überhaupt zum Leben zu erwecken: Vier Jährchen schimmelt dies an sich so ersprießliche Thema unbeantwortet in dieser Einrichtung - wer kann wissen, wie lange noch wenn nicht ich in höchst eigener Person heute beim Herumkramen in der glorreichen Vergangenheit dieser Kommunikationseinrichtung just darauf gestoßen wäre...
Geschwind den Federkiel zur Hand genommen, meine Damen und Herren.
Und ich hätte gehofft, es wäre genug, wenn du dich für uns opferst und dieses Album anhörst. Jetzt komme ich wohl doch über kurz oder lang nicht drum herum, es mir selbst anzutun ...
Be who you are and say what you feel because those who mind don't matter and those who matter don't mind.
Nun habe ich mir das Album nach langer Zeit wieder einmal angehört, unter dem strengen Vorsatz der Unvoreingenommenheit. Ich habe dieses Album also, wenn man so will, heute zum ersten Mal angehört und es hat mir gefallen! Das lärmende Noah ist da allerdings eine Ausnahme, das habe ich aber auch nach 53 Sekunden abgeschaltet, so dass kein bleibender Schaden entstanden ist. Irgendwie mag ich hier die Verlebtheit, das Brüchige in der Stimme weil es auch zum Songmaterial ganz gut passt und der Sänger nicht unmotiviert klingt.
Eine interessante Randnote ist mit Sicherheit "Let Me Try Again", ein französischer Chanson komponiert von Caravelli. Der englische Text stammt von Paul Anka, das Arrangement von Don Costa. Da lässt sich klar herauslesen (und -hören), dass man hier wohl an den Erfolg von My Way anknüpfen wollte. Nunja... find das Lied gar nicht schlecht.
Hier meine Highlights: Send In The Clowns You're So Right Nobody Wins Dream Away Let Me Try Again You Will Be My Music
In der Reihenfolge.
Also ein Gutteil der Platte. Besonders die ersten vier von mir aufgezählten Songs verbreiten eine interessante, sedierende Stimmung, über Send In The Clowns kann man überdies ein ganzes Essays schreiben, ein fantastisches Lied, auch wenn mir die spartanischen Versionen nur mit Klavier oder Gitarre noch sehr viel besser gefallen. Es mag vielleicht auffallen, dass ich "There Used To be A Ballpark" nicht erwähnt habe. Ich musste bei diesem Lied lachen. Punkt. Diesen selbstmitleidigen Großvatertext kann ich wahrscheinlich erst nachvollziehen wenn ich selbst 70, unflexibel und verbittert bin.
Thorsten Bode
Züchtige mich, Herr, - doch mit Maßen und nicht in deinem Grimm, auf daß du mich nicht aufreibst.
Gast
Beiträge:
02.02.2010 12:48
#5 RE: Ol´ Blue Eyes Is Back (Reprise-Album, 1973)
Je nun, das sind ernsthafte Anzeichen dafür, dass besagtes Album wieder aufgelegt worden ist. In diesem Zusammenhang, werthes Publicum: Irgendwann Mitte Decembre des Vorjahres (also Zwotausendundneun, um ungenau zu sein) stöberte ich beim Versender CDWow in der Abteilung „Erscheinungen 2010“ und da waren etliche von Sinatras Reprise-Alben aufgelistet. Vermutlich werden also einige Alben neu aufgelegt - da dies meines Wissens nach nirgends groß angekündigt wurde, dürfte es sich also um keine Remaster-Versionen sondern um die alten zuvor erhältlichen handeln.
Darüber hinaus wurde ich auch gewahr, dass letzthin etliche Reprise-Alben auf Vinyl (also die schwarzen, großen Tonträger, welche mit einer Nadel abgekratzt werden müssen, um sie zum Klingen zu bringen) erschienen sind - meiner Erinnerung zufolge zumindest die Alben „Sinatra & Sextet Live In Paris“ sowie „Sinatra & Strings“.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, mir nachzusehen, dass ich obige Information nicht schon früher an Sie weitergeleitet habe - die hektische Betriebsamkeit vor und während der Weihnachtsfeyertage haben es mich vergessen lassen.
Aus meiner Sicht wird dieses Album völlig unterschätzt. Wahr ist natürlich, dass die vokale Brillanz nicht den goldenen Zeiten standhalten kann. Wahr ist aber auch, dass die melancholische Grundstimmung des Albums auf beinahe kongeniale Art und Weise mit der partiell altersmüden, brüchigen Stimme des Troubadours korreliert. Alles Weitere aus meiner Sicht bemerkenswerte habe ich mir in meiner AMAZON-Rezension zur Neuauflage des Tonträgers anzumerken erlaubt. "Ol´ blue eyes" gehört in seiner größtenteils gegebenen Homogenität in jedem Fall zu den besten Alben der Spätphase und hebt sich meilenweit von fragwürdigen, sich dem Zeitgeist doch sehr anbiedernden Veröffentlichungen wie "Some nice things..." ab. Letzteres ist m.E. ebenso uninspiriert wie "L.A. is my Lady", das Mr.Sinatra zugunsten des direkten Vorgängers besser erst gar nicht aufgenommen hätte. Denn: "She shot me down" wäre ein überaus würdiger Abschluss seiner Soloprojekte gewesen und hätte so manchen Fehlschuss vergessen lassen. Und was die immer wieder zu vernehmende Schelte bzgl. seiner im Alter reduzierten Sangesqualität betrifft: Mir sind die Negativbeispiele immer noch lieber als völliger Rückzug, da selbst das fragwürdigste LP-Projekt hier oder da Genuss zu bereiten versteht. Dies ist übrigens nur sehr bedingt ein Widerspruch zu meiner "L.A." - Kritik und einzig bzgl. der letzten (und somit vielfach meinungsbildenden) Produktion zu verstehen.
"Die Überzeugung, dass es nur eine Wahrheit gibt und man selbst in ihrem Besitz ist, ist die tiefste Wurzel allen Übels der Welt." (Max Born)
Das Argument mit dem gelegentlichen Vergnügen nach dem Motto vom sprichwörtlichen blinden Huhn ist auch so eine spezielle Sache.
Da muss man differenzieren zwischen zwei Arten von Vergnügen. Wirkliche Perlen innerhalb des ansonsten kargen Pools der Spätphase (auf Trilogy findet sich m. E. das eine oder andere Beispiel) dürfen nicht in einer Reihe stehen mit der Art von "Vergnügen", welches einem eine weniger schlecht gelungene Aufnahme inmitten anderer weit unerfreulicherer bereiten mag. Dabei denke ich zum Beispiel an L.A. Is My Lady's zweiten Versuch von Mack The Knife.
Wenn man Ulrichs Argumentation folgt, so hat sich dieses Stückes wegen das Album schon gelohnt. Ich möchte für mein Teil nicht ganz so weit gehen, denn existierte(n) Sinatras Aufnahme(n) nicht, würden mehr Leute etwa zu Bobby Darins Interpretation greifen und der insgesamte Genuss aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive wäre demnach höher. Im Kontext des Albums ist ein Song wie dieser sicherlich erfreulich, aber ich bleibe dabei, es wäre nach oben dargestellter Argumentation höherwertig aus Nutzengesichtspunkten, wenn es ihn nicht gegeben hätte.
Nun ist das ja mit der Messbarkeit/Operationalisierung von Nutzenerwägungen immer eine streitbare Angelegenheit ...
Be who you are and say what you feel because those who mind don't matter and those who matter don't mind.
So abgeklärt wie Herrn Sinatra auf diesem Album ist muss man erstmal werden! Ich finde es so schön diesem weisen Mann einfach den altagstrott besingen zu hören. Ja dieses Album ist eine Hymne auf das Altern in Würde und abgeklärtheit. Sogar Noha kann ich manchmal hören ohne würgereiz,da wird sich in den Sessel zurückgelehnt und zugehört ohne diese dauernden bewertungen immer im hinterkopof rumschwirren zu haben.
Die Arrangemets sind schöln, das Musikprogramm ist perfekt ausgewählt. Kein Song ist falsch oder unpasend.
Ich bleibe dabei: Dieses Album ist qualitativ, inbesondere wegen seiner herrlichen Balladen wie "Nobody wins", ein insgesamt sehr hörenswertes der Spätphase. Die restlos überzogene, an Hasstiraden erinnernde Verdammung durch einige Sinatraphile bleibt für mich ebenso unerklärlich wie pseudoelitär und nicht nachvollziehbar.
"Die Überzeugung, dass es nur eine Wahrheit gibt und man selbst in ihrem Besitz ist, ist die tiefste Wurzel allen Übels der Welt." (Max Born)
Ich zitiere mich zu gegenständlichem Album wie folgt selbst, es sind die Kernsätze meiner Rezension zu diesem Werk, wie sie auf meiner HP unter „Musik/Diskografie“ zur Gänze nachlesbar ist.
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„Aber auch in hohem Alter war Sinatra für - wenn auch nur einige ganz wenige - magische Momente gut: You Will Be My Music, Let Me Try Again und vor allem Send In The Clowns sind die besten Beispiele dafür, was der Sinatra der späten Jahre mitunter immer noch aus einem Song herauszuholen vermochte. - Natürlich sind auch diese wenigen positiven Beispiele stimmlich ziemlich weit entfernt von den gloriosen alten Tagen, aber sie allein können als Rechtfertigung für dieses ansonsten völlig unterdurchschnittliche Album herhalten.
Beim Rest der Nummern handelt es sich nämlich leider größtenteils um sanft dahinplätschernde Belanglosigkeiten, teils einen Hauch moderner arrangiert als die Songs der 60er Jahre, mitunter auch etwas überproduziert, an manchen Stellen gar nicht einmal besonders unangenehm zu hören, aber letztlich ganz bestimmt nicht weltbewegend und an Sinatras früheren Standards gemessen oft genug sogar inferior.“
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Wie oben schon erwähnt, vermögen gerade mal drei Songs einen gewissen Reiz zu verströmen, will man die Qualitäts-Standards früherer Jahre anlegen, bliebe genau genommen überhaupt einzig Send In The Clowns übrig. Wie schon erwähnt, das Album plätschert einfach nur so vor sich hin, es plätschert und plätschert - nicht wirklich mein Fall. Sicherlich darf gesagt werden, dass das Nachfolge-Album partiell noch viel weniger befriedigend ausfiel, doch ist das insgesamt gesehen kein Trost.
Sehr geehrte Damen und Herren Leserinnen und Leser - Sie befinden sich in einer Kommunikationseinrichtung, welche den ENTERTAINER OF THE CENTURY (mit anderen Worten SINATRA, SINATRA und nochmals SINATRA) in ersprießlicher Weise thematisiert wissen möchte. Geschätztes Publicum: Diese Einrichtung ist in der Tat so hochgradig erquickend, so ungemein gastlich, der Wohlfühlfaktor so enorm hoch, dass es kurzum nichts Geringeres denn eine wahre Lust ist, sich hierorts aufzuhalten und sich durch die mannigfaltigen Rubriken zu bewegen! Sehen Sie sich gut und in aller Ruhe um und Sie werden - darauf mein Wort - nicht umhinkommen zu sagen: "Hier ist es schön, hier will ich bleiben."
*** Wertes Publicum: FRAU CHARLOTTE ROCHE ist eine GÖTTIN - eine WAHRE GÖTTIN ***